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Berlin/Enzkreis. Vor, zurück, vor - zurück. Zwei Mal im Jahr wird die Uhr an die Sommer- und oder wie nun an die Winterzeit angepasst. Die ersten Wochen danach sind speziell für Autofahrer und Wildtiere gefährlich. Auch im Enzkreis sind Wildunfälle keine Seltenheit. Nun wird mit verschiedenen Maßnahmen getestet, wie sich solche Unfälle vermeiden lassen.
Nach der Umstellung auf Winterzeit steigt das Risiko für Wildunfälle in den Wochen danach an. „Wildtiere kennen keine Winterzeit“, äußert sich Torsten Reinwald vom Deutschen Jagdverband (DJV). „Sie sind immer in der Dämmerung auf Nahrungssuche und queren dabei Straßen.“


Alle zwei Minuten fährt ein Auto gegen ein Wildtier
Durch die Zeitumstellung fällt der Berufsverkehr von einem Tag auf den anderen wieder in die Dunkelheit oder die Dämmerung - also genau in die Rushhour von Wildtieren. Rehe, Füchse, Feldhasen und Co. sind in der Morgendämmerung auf Futtersuche und kreuzen dabei auch die Verkehrswege der Menschen.
Auch in der Abenddämmerung ist mit Wildwechsel zu rechnen. So sind etwa die Schwerpunktzeiten für Unfälle mit Damwild im Oktober und November: zwischen 7.00 und 9.00 Uhr und zwischen 18.00 und 21.00 Uhr. Rund jeder zweite Unfall passiert laut DJV-Daten mit Rehen.
Augen auf und runter vom Gas
Vor allem auf Strecken, die an unübersichtlichen Wald- und Feldrändern verlaufen, heißt es nun:
- vorausschauend fahren
- den Straßenrand im Blick behalten
- Fuß vom Gas und maximal aufmerksam bleiben
Schon allein Tempo 80 statt 100 verkürze den Bremsweg um etwa 24 Meter. Das kann im Ernstfall entscheiden über Leben und Tod.
Zeigen sich Tiere, können Abblenden, Hupen und Bremsen einen Zusammenstoß verhindern. Im Ernstfall eine Vollbremsung machen, aber nicht ausweichen. Denn das kann im Gegenverkehr oder an einem Baum schlimmstenfalls tödlich enden.


Wildunfällen vorbeugen: Enzkreis soll Modellregion werden
Wichtig: Meist kommt nicht nur ein Tier allein auf die Straße, sondern auch noch Nachzügler.
Pilotprojekt zur Unfallprävention im Enzkreis
Auch in Baden-Württemberg nehmen Wildunfälle immer mehr zu. Das Bundesland hat sich daher zum Ziel gesetzt, die Zahl zu reduzieren. Der Enzkreis wurde als eine von landesweit zwei Modellregionen ausgewählt, um Maßnahmen der Unfallprävention zu testen. Für den Enzkreis sprach neben der landschaftlichen Struktur auch die Tatsache, dass der Enzkreis einen erfahrenen Wildtierbeauftragten sowie gute Kenntnisse über die Lage der Unfallschwerpunkte im Landkreis hat.
„Die auf Landesebene entwickelten Ansätze wollen wir nun im Enzkreis erproben“, erklärt Holger Nickel, Enzkreis-Dezernent für Landwirtschaft, Forsten und öffentliche Ordnung
„Dafür haben wir aus Fachleuten der Gemeinden, der Jäger, der Polizei, des Amtes für nachhaltige Mobilität sowie des Landwirtschafts-, des Forst- und des Straßenverkehrsamtes eine Arbeitsgruppe Wildunfallprävention im Enzkreis gebildet“, führt er weiter aus.
Diese Experten haben anhand von polizeilichen Unfalldaten acht Strecken im Enzkreis ausgewählt, die beispielhaft die Verhältnisse im Kreis abbilden.
„Die Wildunfallstrecken führen durch alle Landschaftsformen des Enzkreises, durch Wälder und landwirtschaftlich geprägte Umgebungen, aber auch durch Gebiete mit Wald und Feldanteilen“, weiß Wildtierbeauftragter Bernhard Brenneis.
Hotspot rund um Birkenfeld
Als Wildunfallstrecken gelten insbesondere einige Strecken rund um die Gemeinde Birkenfeld als Hot Spot für Wildunfälle. Ausgewählt wurde dort daher die Kreisstraße K 4538 von der Regelbaumstraße zum Ersinger Kreuz, die K 4576 Birkenfeld-Obernhausen und auch die Landesstraße L 565 in Richtung Kreisverkehr Rickertswasen.
Im Norden und Nordosten des Enzkreises werden neben der Kreisstraße von Knittlingen nach Freudenstein und der Landestraße zwischen Ötisheim und Maulbronn/West auch zwei Bundesstraßen, die B 294 zwischen Bauschlott und Bretten wie auch die B 35 zwischen Lienzingen und Illingen, ins Visier genommen.


Polizei rät: So vermeiden Sie Wildunfälle
Da auf der Kreisstraße zwischen Öschelbronn und Wurmberg ebenfalls besonders häufig Unfälle mit Wildtieren der Polizei gemeldet werden, ist auch diese für das Präventionsprojekt vorgesehen.
„In der letzten Sitzung hat die Arbeitsgruppe nun passende Maßnahmen für die einzelnen Wildunfallstrecken festgelegt“, sagt Nickel. Diese werden nun auf ihre Wirksamkeit hin überprüft, beschreibt er das weitere Vorgehen.
Führen die Maßnahmen zu einer nachhaltigen Reduzierung der Wildunfälle, sollen diese anschließend in ganz Baden-Württemberg umgesetzt werden. „Die Verbesserung der Verkehrssicherheit für die Menschen im Enzkreis und die Vermeidung von Tierleid sind uns wichtig. Daher beteiligt sich der Enzkreis gerne als Modellregion“, erklärt Nickel.
Neue Schilder für den ganzen Enzkreis
Zunächst sollen nun alle alten „Wildwechsel“-Gefahrzeichen im gesamten Enzkreis entfernt und neue Schilder nur an den aktuell ermittelten Wildunfallstrecken aufgestellt werden. „Damit wird Gewöhnungseffekten entgegengewirkt und die Aufmerksamkeit der Verkehrsteilnehmer erhöht“, erläutert Brenneis.
Zudem werden jeder Wildunfallstrecke nur bestimmte Maßnahmen zugeordnet, um deren Einfluss auf das Unfallgeschehen besser erkennen zu können. Um die Sichtbarkeit des Wildes für den Autofahrer zu erhöhen, wird beispielsweise regelmäßig die Vegetation an den Straßenrändern kontrolliert. Auch eine Rücknahme des Waldes und mehrmaliges Mulchen im Jahr sind geeignet, um das Wild besser und früher sehen zu können.
Daneben können auch Geschwindigkeitsbeschränkungen zu einem Rückgang der Wildunfälle beitragen. Auf die Wirksamkeit einer Idee ist Nickel besonders gespannt:
„Dynamische Dialogdisplays mit Wildtiersymbolen sollen Autofahrer künftig ab einer bestimmten Geschwindigkeit auf die Gefahr durch Wildunfälle aufmerksam machen.“
Ob sich die Beschilderung auf tatsächlich gefahrene Geschwindigkeiten auswirkt, wird durch den Einsatz von Seitenradargeräten überprüft. Als weitere Maßnahme soll auch die gezielte Bejagung in der Umgebung der Wildunfallstrecken helfen, die Unfallzahlen zu senken.
Nickel und Brenneis appellieren darüber hinaus an alle Verkehrsteilnehmer, gerade in der dunklen Jahreszeit überall mit Wildwechsel zu rechnen und entsprechend vorsichtig und vorausschauend zu fahren.