Kein anderes Fachgebiet in der Medizin hat in den vergangenen fünfzehn Jahren derartige Fortschritte gemacht wie die Onkologie. „Hier hat in den vergangenen 20 Jahren ein regelrechter Paradigmenwechsel stattgefunden“, finden Dr. Yves Dencausse und Dr. med. Sina Lotfi im Gespräch mit dem PZ-Medienhaus. Die beiden Onkologen leiten das Zentrum für Onkologie am Siloah St. Trudpert Klinikum. In der Praxis verantworten die Experten mit ihrem 15-köpfigen Team die ambulante Krebstherapie für durchschnittlich 3000 Patienten im Jahr.

Eine Krebsdiagnose ist für die meisten Menschen schwer zu verarbeiten. Wie werden Sie als Mediziner hier gefordert?
Dr. Lotfi: „Wir begleiten die Patienten bei ihrem Kampf gegen den Krebs. Die menschliche und psychologische Komponente spielt bei der Therapie eine sehr wichtige Rolle. Was will der Patient? Wie können wir ihn auf seinem Weg und Kampf gegen die Erkrankung unterstützen? Diese Fragestellungen leiten uns in unserer ganzheitlichen Arbeit an.
90 Prozent der Krebsbehandlungen finden heute ambulant statt. In der Praxis begleiten wir Patienten teilweise mehrere Jahre, zum Teil auch Jahrzehnte. Als Ärzte gehen wir diesen Weg mit den Patienten gemeinsam. Die Menschen zu begleiten, das ist das Schöne an unserem Beruf.“

Wie hat sich Ihre Arbeit als Onkologe im Lauf der Jahre verändert?
Dr. Dencausse: „In der Behandlung von Krebserkrankungen hat ein regelrechter Paradigmenwechsel stattgefunden. Noch nie gab es eine derartige Vielfalt an Behandlungsmöglichkeiten. Vor über 20 Jahren hatten wir, schlicht gesagt, nur einige grobe, unpräzise Waffen, um gegen den Krebs anzukämpfen. Heute steht uns ein ganzes Arsenal an Therapiemöglichkeiten zur Verfügung, um Patienten individuell und zielgerichtet zu behandeln.
Krebstherapien haben sich im Lauf der Jahre verändert und wurden optimiert, Krebsmedikamente – insbesondere bei fortgeschrittenen Krebserkrankungen – sind verbessert worden. Auch dadurch ist natürlich nicht nur auch die Lebenserwartung deutlich gestiegen, sondern es hat sich auch die Behandlungszeit für die Patienten in der Regel erheblich verlängert. Krebs ist zu einer Erkrankung geworden, die, je nach Typ, chronisch geworden ist, und mit der Patienten lange leben können.“
Wie wird Krebs in Zukunft behandelt werden? Welche neuen Erkenntnisse bietet die Forschung?
Dr. Lotfi: „Die personalisierte Krebsmedizin sowie eine molekulare Diagnostik mittels genetischen Tumormerkmalen wird eine zentralere Rolle spielen. Sogenannte Biomarker, das sind die Eigenschaften eines Tumors, die uns Onkologen so wichtige Hinweise darauf geben, auf welche Therapie der Tumor voraussichtlich ansprechen wird. Man behandelt nicht mehr Tumore nach? Schema F, sondern erstellt eine maßgeschneiderte und zielgerichtete Behandlung anhand molekulargenetischen Biomarker.
Dr. Dencausse: „Künstliche Intelligenz wird im Zusammenspiel mit der Gensequenzierung für die Diagnostik und Therapie wichtig werden. KI-gestützte Maßnahmen unterstützen bereits heute im Screening die Frühdiagnostik, und werden in den nächsten Jahren in weiteren Bereichen Einzug finden. Von all diesen Entwicklungen werden die interdisziplinären Ärzteteams und die Patienten profitieren.“