Anzeige
Der kleine, aber feine Unterschied

In lockerer Runde macht das Essen noch mal so viel Spaß. Wer möchte denn auch noch das steife Abendessen von anno dazumal? FOTO: GORODENKOFF - STOCK.ADOBE.COM

Der kleine, aber feine Unterschied

Genuss

Es gibt beim Restaurantbesuch immer mal wieder Situationen, bei denen man in Sachen Benimm etwas in Unsicherheit gerät. Eine Frage des Stils? Oder des Benimms? Eindeutige, klare Regeln sind in der heutigen Zeit jedenfalls im Schwinden begriffen. Einige kleine, aber feine Orientierungshilfen seien dennoch erlaubt.

Darf ich im Restaurant einfach so den Brotkorb leer machen?

Dem Wirt machen ein paar Brotscheiben wohl kaum was aus. Doch der Eindruck ist nicht gerade sehr vorteilhaft, den Mann oder Frau hinterlässt. Mit einem Bärenhunger ins Restaurant: Etwas Geduld darf durchaus sein. Es kommt ja noch was: das (Lieblings) Gericht nach eigener Wahl. Übrigens: Man kann ja auch eine Vorspeise bestellen.

Gehört es sich, als Gast bei Lunch oder Dinner das teuerste Gericht zu bestellen, wenn jemand anderes bezahlt?

Kluges Verhalten ist etwas anderes - es gibt sicher auch andere wohlschmeckende Optionen auf der Speisekarte.

Andererseits: Der Einladende sollte auch so viel Großzügigkeit aufbringen (können), dass ihn so ein Lapsus nicht unbedingt anficht. Sonst lasse ich besser die Finger von einer Einladung.

Eine oft gestellte Frage: Den Teller leer essen oder einen „Anstandsrest“übrig lassen?

Warum dem Koch nicht zeigen, dass es so gut geschmeckt hat, dass wirklich nichts übrig bleibt. Angst wegen des Vorwurfs der Verfressenheit - von wem eigentlich? Wenn's geschmeckt hat, dann hat's eben geschmeckt. Da gibt es kein Wenn und Aber.

Wie redet man die Bedienung korrekt an?

Das gute alte Fräulein geht natürlich gar nicht. Auch den Bedienenden eben mit seiner Berufsbezeichnung anzusprechen ist wirklich nicht die feine Art. Wer der oder die Bedienung“ beim Namen nennt: eine schöne Sache, aber leider doch recht selten. Da müssen schon ein freundlicher Blick oder ein zarter Wink herhalten. Der gern mal zitierte sogenannte „geübte Kellnerblick“ - im richtigen Moment wegschauen - ist ja nicht die Regel - Gott sei Dank.

Zu wenig Geld zurückzubekommen - klare Sache. Aber wie sieht es mit zu viel Geld aus?

Da gerät der Gast doch mal leicht in Versuchung, sich für die Preise, einen schleppenden Service oder das vielleicht nicht ganz so gute Essen rächen zu wollen.

Doch das ist die falsche Ebene. Probleme gilt es anzusprechen, damit sie auch ans Tageslicht kommen und gegebenenfalls eine Korrektur erfahren. So ist außer dem eigenen Geldbeutel niemandem gedient. Im schlimmsten Falle muss die Bedienung für den Schaden selbst gerade stehen.

Das Restaurant ist klein und gemütlich. Entsprechend eng geht es zwischen den Tischen zu. Und doch muss ich mal kurz raus und mich am Nebentisch dünn machen und vorbeidrängen. Doch wie am Besten?

Brust und Blick nach vorne zum Nachbartisch. Das bringt die volle Kontrolle, nicht noch etwas vom Nachbartisch abzuräumen - zudem sorgt der Blickkontakt gegebenenfalls für die notwendige Entspannung. Wer spürt schon gerne den Hintern vom Gast des Nebentischs beim Essen?

War ein schöner Abend. Stimmung und Essen waren vorzüglich. Aufstehen und einfach gehen? Halt! Den Stuhl noch unter den Tisch rücken...

Die kleinen Dinge bringen in der Summe den Stil. Nicht berechnende Höflichkeit, die sich auszahlt. Sondern das kleine Quäntchen Benimm, einfach weil's schön ist und dem Leben ein klein wenig mehr Wertigkeit verleiht. tmn/kin

>>Das Essen ist einer der vier Zwecke des Daseins. Welches die drei anderen sind, darauf bin ich noch nicht gekommen.
Charles de Secondat,
Baron de la Brède et de Montesquieu