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Als Azubi in „Frauendomäne“?

Noch sind Männer als Erzieher im Kindergarten eher eine Seltenheit. FOTO: MICROMONKEY - STOCK.ADOBE.COM

Als Azubi in „Frauendomäne“?

Karriere

„SAGE“ fasst als Akronym die Berufsfelder Soziale Arbeit, Gesundheit und Pflege sowie Erziehung und Bildung zusammen. Sie werden größtenteils von Frauen dominiert. Warum ist das immer noch so?Männliche Erzieher, Sozialassistenten oder Hauswirtschafter trifft man nach wie vor eher selten an. All diese Berufe werden typischerweise mit Frauen assoziiert.Dabei sollte es bei der Berufswahl ja eigentlich nicht darum gehen, einer Geschlechterrolle zu entsprechen. Sondern einen Job zu finden, der den eigenen Interessen entspricht und Freude bereitet. Was wichtig ist, wenn Jugendliche ohne Rollenklischees im Kopf ihren Karriereweg wählen sollen.Männerberufe, Frauenberufe, was soll das eigentlich?Geht man rein nach Schulnoten und Bildungsabschlüssen, würde man es nicht unbedingt vermuten, doch manche Klischees stimmen wohl: „Unsere Auswertung der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten zeigt, dass Frauen bei weitem häufiger in den Bereichen Gesundheits- und Sozialwesen, Erziehung, Büro- und Verwaltungsberufe oder auch Verkaufsberufe tätig sind“, sagt Christian Ludwig, Sprecher der Bundesagentur für Arbeit.Männer dagegen seien eher in der Produktion, in Verkehrs- und Logistikberufen sowie im Hoch- und Tiefbau tätig. An der Berufswahl lassen sich also noch immer deutliche Präferenzen ablesen.

Warum lassen wir uns von Stereotypen so beeinflussen?

„Unsere Geschlechterklischees sind immer noch in der Zweigeschlechtlichkeit organisiert. Dabei wird Weiblichkeit mit Gefühlen, Empathie und sozialer Kompetenz verbunden, Männlichkeit hingegen mit Stärke, Rationalität und technischer Kompetenz“, sagt Juliana Groß. Sie ist Fachreferentin der Initiative Klischeefrei am Kompetenzzentrum Technik-Diversity-Chancengleichheit.

Viele Jugendliche können laut Groß zwar persönlich nichts mehr mit diesen starren Vorstellungen von Männlichkeit und Weiblichkeit anfangen, trotzdem wirken diese im Hintergrund als gesellschaftliches Wissen nach und beeinflussen sie.

„Menschen die sich nicht den Geschlechternormen entsprechend verhalten, werden oft kritisch beäugt“, so Groß. Es gelte ins Bewusstsein zu rücken, dass Fürsorge und Empathie keine rein weiblichen Eigenschaften sind. „Es sind menschliche Eigenschaften.“

Weitere Faktoren, die junge Männer von einer Ausbildung in sogenannten SAGE-Berufen (kurz für: Soziale Arbeit, Gesundheit und Pflege, Erziehung und Bildung) abhalten: Viele dieser Berufe sind gesellschaftlich weniger anerkannt und werden schlechter bezahlt.

Laut Groß kommen junge Männer eher in die Situation, sich deswegen zusätzlich rechtfertigen zu müssen, da die Vorstellung des Mannes als Haupternährer der Familie noch immer weit verbreitet ist.

»Als Erzieherin begegne ich den Kindern und ihren Familien mit Achtsamkeit und Wertschätzung für ihre Individualität und Kultur. Mit dem positiven Blick auf die Fähigkeiten und Absichten von Kindern und ihren Eltern gelingt es, eine tragfähige und vertrauensvolle Kooperation aufzubauen und die Kinder auf ihrem Weg zu begleiten. So kann auch ich selbst Neues lernen und daran wachsen. Mein Beruf hat auch meine eigene Welt größer und bunter gemacht. «

Silvia Soria-Gläser, stellvertretende Leiterin der Kita Emma-Jaeger-Bad

Welche Unterstützung brauchen junge Männer bei der Entscheidung für einen SAGEBeruf?

„Interessiert sich ein Junge oder junger Mann für eine SAGE-Ausbildung ist es wichtig, dies nicht zu verbesondern oder als vermeintlich geschlechtsuntypisch herauszustellen“, rät Juliana Groß. Die Berufswahl sei etwas Persönliches. „Es sollte normal sein, dass ein Mann auch als Erzieher oder Pfleger arbeitet.“

Eine wichtige Rolle spielen auch Angebote wie der Boys‘ Day, der Jungs einen Einblick in Frauen-dominierte Berufe geben soll. Damit soll über Geschlechterklischees hinweg das Berufswahlspektrum erweitert werden.

Oft sei den Jugendlichen und ihren Eltern gar nicht bewusst, was es alles für Möglichkeiten gibt, so Christian Ludwig. Allerdings gilt: „Diese Aktionstage bringen besonders dann etwas, wenn sie auch in der Schule vor- und nachbereitet werden.“

Und wie sieht es dann in der Berufspraxis aus?

„Männer sind in Frauenberufen meistens herzlich willkommen“, sagt Juliana Groß, „nicht zuletzt auch wegen des akuten Fachkräftemangels in vielen einseitig von Männern oder Frauen besetzten Berufen.“

Tatsächlich würden im Laufe der Karriere die Geschlechterklischees auch zum Vorteil der Männer arbeiten: „Männer gelangen auch in den typischen Frauenberufen vergleichsweise schnell in Führungspositionen, weil Führungsstärke besonders mit Männern assoziiert wird“, sagt Groß. In männlichen Erwerbsbiografien kommen immer noch kaum Teilzeitarbeit oder Auszeiten für die Betreuung von Kindern, Alten und Kranken vor, bei Frauen dagegen umso mehr. VICTORIA VOSSEBERG, DPA

Quereinstieg in die Pflege

Für Quereinsteiger in Kitas und Pflegeheimen ist es wichtig, realistische Vorstellungen vom neuen Arbeitsfeld zu haben. So gelingt die Integration in den neuen Job eher, wie eine Studie des Deutschen Jugendinstituts zeigt.

In Interviews mit Quereinsteigern zeigte sich, dass zum Beispiel die Diskrepanz zwischen der theoretischen Ausbildung und der beruflichen Praxis zum Teil zu Frustration führt. In den Einrichtungen herrscht oft Zeitdruck und Personalmangel, gelerntes Wissen kann da nicht immer umgesetzt werden.

Um solche Frustration im Job zu vermeiden, ist es daher den Schul- und Einrichtungsleitern zufolge besonders wichtig, dass ein Quereinsteiger bereits praktische Berührungspunkte mit ihrem neuen Berufsfeld hatte – etwa in früheren Jobs oder im Privatem. Auch die Motivation für den Quereinstieg spielt eine Rolle. Wer sich von sich aus für einen Wechsel in den Pflegeberuf entscheidet, integriert sich den Experten zufolge oft besser als von der Arbeitsagentur vermittelte Kräfte. tmn.