Anzeige
Ganz viel Handwerk - an nur einem Ort

FOTO: MORNG STOCK.ADOBE.COM

Ganz viel Handwerk - an nur einem Ort

Schweißen, schreinern, backen: In der Karlsruher Bildungsakademie mit ihren 28 Werkstätten sind überraschend viele der 130 Handwerksberufe präsent.

Wohnen & Garten

Orangefarbene Paprika, grüner Salat, rote Tomaten, weiße Eier: Daniela Herzog greift zu, kreiert daraus einen leckeren Salatteller. Daneben legt sie ein Lachsbrötchen mit krossem, überbackenen Windbeutel-Parmesan-Deckel. Zum Reinbeißen! Angehende Bäckereifachverkäuferinnen und Bäcker schauen der Ausbildungsmeisterin mucksmäuschenstill zu. Gleich sind sie dran, werden mit flinken Fingern in die Edelstahlschüsseln greifen. Sie lernen, dass es neben Qualität und Optik auch auf Wirtschaftlichkeit ankommt. „Wir sehen nur sehr wenige Reste im Müll“, sagt Herzog, die hier in der Backstube der Bildungsakademie der Handwerkskammer Karlsruhe mit Frank Kary lehrt. Der legt auf den Austausch zwischen Backstube und Verkaufsraum Wert. „Wichtig ist, dass man auch den Bäcker mal im Verkauf sieht, da erlebe ich als Kunde das Handwerk und sehe: Das ist keine Supermarktware“, sagt Kary.

130 Berufe bietet das deutsche Handwerk. 18 davon sind in der Bildungsakademie mit ihren 28 Werkstätten präsent. Hier wird pro Jahr über 4500 Azubis – ergänzend zum Ausbildungsbetrieb – Zusatzwissen vermittelt. Hier bilden sich 2500 Teilnehmer fort, etwa zum Meister. Hier lernen rund 700 Schülerinnen und Schüler die Vielfalt des Handwerks kennen.

Eriun Ismajli lässt hinter einem orangenen Schutzvorhang die Funken sprühen. Schweißschmauch liegt in der Luft, die Lüftungsanlage an der Decke saugt ihn ab. Der Karosseriebauer-Lehrling erzeugt ein Raschel-Knister-Geräusch. Für Christian Märkle ist es ein Wohlklang in den Ohren: „Auch an dem Geräusch erkennt der Profi, ob jemand gut beim Schweißen ist oder nicht.“

"130 Ausbildungsberufe hat das Handwerk zu bieten."

Märkle ist Chef der Schweißtechnischen Lehranstalt hier an der Bildungsakademie. Schweißen ist eine Wissenschaft für sich. Märkle spricht übers WIG-Schweißen, MAG-Schweißen, MIG-Schweißen, über Materialien, Stärken, Schweißpositionen. „Wir bieten fast 4000 verschiedene Prüfungen an“, sagt er. Der 21-jährge Eriun Ismajli zieht in Kabine 7 den Schutzhelm ab. „Wir lernen verschiedene Schweißverfahren kennen, bekommen eine gute Übersicht“, sagt er. „Unsere Teilnehmerinnen und Teilnehmer kommen aus den sieben Stadt- und Landkreisen des gesamten Gebiets der Handwerkskammer Karlsruhe“, sagt Patrick Jakob, der Chef der Akademie.

Als promovierter Architekt begeistert ihn naturgemäß auch, was im Dachdecker-Bildungszentrum des Landesinnungsverbandes vor sich geht, das sich in der Bildungsakademie eingemietet hat: Fleißige Handwerker-Hände hämmern Schiefer-Schindeln aufs richtige Maß. Schwarze Splitter fliegen auf den Boden. Ganz schön laut ist es hier und beeindruckend: Denn schnell sind die Mini-Dächer mit dem Material eingedeckt, das die Römer vor rund 2000 Jahren ins Badische gebracht haben.

Vorbei an den Werkstätten der Schreiner, Elektroniker, Informationstechniker, Zahntechniker und Anlagenmechaniker SHK kommt der Besucher bei Paul an. Er ist 14 Jahre alt, Schüler der Karlsruher Ernst-Reuter-Schule. „Ich mag Handwerk und Technik“, sagt er. Dann zeigt er auf Schraubstock, Bügelsäge, Zangen, Messschieber. Mit seiner Klasse fertigt er aus verschiedenen Metallen an zwei Tagen einen edlen Kugelschreiber-Halter. Ausbilder Lucien Rückel lobt die Schüler – der eine oder andere wird nach solchen Erfahrungen einen Handwerksberuf erlernen.

Das Reich von Christian Krause ist die Kfz-Werkstatt. Es riecht nach Motoröl, ab und zu heult ein Motor auf. „Wir haben 40 Fahrzeuge in der Bildungsakademie zum Schulen. Allein in dieser Werkstatt stehen acht.“ Krause und die anderen Ausbilder simulieren Fehler in den Autos – daher die geöffneten Motorhauben. „Wir überprüfen gerade den Anlasser, weil kein Strom mehr durchfließt“, erklärt die Auszubildende Jaqueline Schwarzbäcker. Das bringe auch viel als Vorbereitung für die Zwischenprüfung.

Derzeit treibt die Handwerkskammer Karlsruhe ihre Pläne für eine neue, noch größere und top-moderne Bildungsakademie voran. So bleibe das Handwerk fit für die Zukunft mit Herausforderungen wie Klimawende und Digitalisierung, sagen Ingrid Lehr-Binder und Frank Gnägy, die zum Management-Team der Bildungsakademie gehören.