
- Wiest, Arndt, Semet
Pforzheim. Es sind teilweise schwierige Fragen, mit denen sich Katja Mast (SPD), Rainer Semet (FDP), Gunther Krichbaum (CDU), Helmut Kuntschner (Linke), Diana Zimmer (AfD) sowie die hiesigen Grünen auseinandersetzen mussten. Wie kommen wir gegen den Ärztemangel an? Konkurrieren Klimaschutz und Sozialpolitik? Und was ist überhaupt die „deutsche Identität“? Sei es Tierschutz, die Verkehrspolitik, Kinderarmut – die Oberstufenschüler des Pforzheimer Hebel-Gymnasiums haben sich mit Blick auf die Bundestagswahl am 23. Februar mit vielen verschiedenen Themen beschäftigt.
In Kooperation mit der „Pforzheimer Zeitung“ haben die Oberstufenschüler aus dem Gemeinschaftskundeunterricht von Lehrerin Sina Feuchter, dem Geschichts- oder Deutschunterricht von Lehrer Sebastian Barth und dem Deutschunterricht von Lehrerin Christiane Neudorfer zum Jahresanfang klassenübergreifend Briefe mit ihren Fragen an die Direktkandidaten des Wahlkreises Pforzheim/Enz formuliert. Am vergangenen Samstag sind diese unter dem Titel „Briefe nach Berlin“ in der PZ erschienen – und die Vertreter der Politik hatten nun eine Woche Zeit, auf die Texte zu antworten.
Die Briefe von Floria und Kilian zum Nachlesen gibt es hier.
Antworten der FDP
Hallo Floria,
vielen Dank für dein Schreiben und dein leidenschaftliches Engagement für den Tierschutz. Deine Argumente zeigen, wie sehr dir dieses Thema am Herzen liegt, und ich begrüße es, dass du deine Ansichten so klar und direkt teilst. Gerne möchte ich dir meine Perspektive darlegen und auf deine Punkte eingehen.
Zunächst möchte ich betonen, dass wir Freien Demokraten Tierschutz als unverzichtbaren Bestandteil einer modernen und verantwortungsvollen Gesellschaft sehen. Verbesserungen in der Tierhaltung und ein fairer Umgang mit Tieren sind für uns wichtige Anliegen. Allerdings muss eine Debatte über Massentierhaltung und ihre Auswirkungen auch im größeren Zusammenhangbetrachtet werden. Es stimmt, dass die Nutztierhaltung Treibhausgase wie Methan emittiert, doch dieser Sektor trägt in Deutschland – wie du richtigerweise schreibst – nur 5,3 Prozent zu den gesamten Treibhausgasemissionen bei. Zum Vergleich: Der Verkehrs- und Logistiksektor liegt bei etwa 19 Prozent – fast dem Vierfachen. Um es ganz konkret zu machen: Es ist etwa fünfmal klimaschädlicher, ein Paket online bei Temu zu bestellen, als ein Steak aus Deutschland zu essen. Eine nachhaltige Klimapolitik darf sich daher nicht auf überemotionalisierte Symboldebatten über Landwirtschaft und Fleischkonsum beschränken, sondern muss alle Emissionsquellen fair bewerten.
Dein Vorschlag, Fleisch zu einem Luxusgut zu machen, greift aus meiner Sicht viel zu kurz. Die FDP ist eine liberale Partei, keine Verbotspartei. Ich wünsche mir, dass jede Bürgerin und jeder Bürger in Deutschland weiterhin die freie Wahl hat, ob sie oder er Fleisch konsumiert – und zwar unabhängig vom Einkommen. Eine Erhöhung der Mehrwertsteuer auf Fleisch, wie sie oft von Tierschützern gefordert wird, würde den Tieren nicht helfen, sondern vor allem den Menschen unnötig Geld aus der Tasche ziehen. Wir setzen stattdessen auf mehr Transparenz und eine klare Kennzeichnung, damit jeder bewusst und eigenverantwortlich entscheiden kann, welche Produkte er kauft. Fleisch ist für mich ein Lebensmittel, kein Prestigeobjekt oder Luxusgut. Ziel ist es, die Standards der Nutztierhaltung zu erhöhen und nicht Nutztierhaltung zu verbieten.
Bei den von Dir angesprochenen Missständen bei Tiertransporten bin ich völlig bei Dir. Es ist inakzeptabel, dass Tiere über lange Strecken unter unwürdigen Bedingungen transportiert werden.
Deshalb setzt die FDP sich dafür ein, dass Lebendtiertransporte in Länder außerhalb der EU, die nicht die europäischen Tierschutzstandards einhalten, verboten werden. Gleichzeitig brauchen Landwirte, die in bessere Haltungsbedingungen investieren, eine verlässliche Perspektive. Ohne die richtigen gesetzlichen Rahmenbedingungen bleibt jede Debatte über höhere Standards bloße Theorie.
Lass mich abschließend betonen: Fortschritte im Tierschutz erreichen wir nur durch einen realistischen, faktenbasierten Ansatz, der alle Akteure einbezieht – Landwirte, Verbraucherinnen und Verbraucher sowie den Handel. Symbolpolitik und pauschale Verbote mögen kurzfristig gut klingen, lösen aber keine Probleme, sondern schaffen oft neue. Ich setze mich dafür ein, dass Tierschutz und Klimaschutz gleichermaßen vorangebracht werden – mit Maß, Verstand und Innovation, ohne dabei Menschen auf der Strecke zu lassen.
Mit freundlichen Grüßen
Rainer Semet, MdB


Briefe nach Berlin: Pforzheimer Schüler stellen Fragen an die FDP
Hallo Kilian,
vielen Dank für deinen ausführlichen Brief und deine kritischen Gedanken zur Verkehrspolitik und zum Klimaschutz. Es ist beeindruckend, wie intensiv du dich mit diesen Themen auseinandersetzt.
Gerne möchte ich dir meine Perspektive darlegen und auf deine Punkte eingehen. Zunächst zur Öffnung der Bahnhof- und Leopoldstraße in Pforzheim. Die Öffnung ist seit Jahren ein lang gehegter Wunsch des Handels vor Ort und wird dazu beitragen, die Innenstadt wieder stärker zu beleben. Uns als FDP geht es nicht darum, verschiedene Verkehrskonzepte gegeneinander auszuspielen. Vielmehr verfolgen wir das Ziel, die Innenstadt für möglichst viele Menschen erreichbar zu machen – unabhängig davon, ob sie mit dem Auto, dem Bus, dem Fahrrad oder zu Fuß kommen. Mit dem Deutschlandticket haben wir bereits eine der größten Revolutionen des Verkehrssektors der letzten Jahrzehnte durchgesetzt, und unser Ansatz bleibt auch hier: Mobilität so zu gestalten, dass sie für jeden zugänglich und attraktiv ist. Gleichzeitig planen wir deutschlandweit, das Parken in Innenstädten gegen eine Gesamtpauschale einzuführen. Ich bin überzeugt, dass dies dazu führt, die Innenstädte höher zu frequentieren und letztendlich für den Handel attraktiver zu machen. Eine höhere Nutzung der Straßen in Innenstadtlagen ist daher gewollt und wäre ein Gewinn für die Innenstädte in Deutschland. Ich stimme dir vollkommen zu, dass der öffentliche Nahverkehr in ländlichen Regionen dringend ausgebaut werden muss. Es ist untragbar, dass Menschen an Wochenenden oder Feiertagen insbesondere auf dem Land lange auf den nächsten Bus warten müssen. Deshalb setzen wir uns für moderne, flächendeckende Mobilitätslösungen ein, die ländliche Gebiete besser mit den Städten verbinden – sei es durch den Ausbau der Schieneninfrastruktur oder durch flexible Angebote wie Rufbusse. Wichtig ist uns dabei, dass Mobilität für jeden erschwinglich bleibt.
Auch bei der Förderung alternativer Antriebe teile ich deine Kritik an der Ladeinfrastruktur, insbesondere in ländlichen Regionen. Hier ist der Nachholbedarf tatsächlich groß, und das wollen wir ändern. Im FDP-Wahlprogramm ist klar festgehalten, dass die Ladeinfrastruktur deutschlandweit ausgebaut werden soll – besonders in den Gebieten, die bislang noch unzureichend versorgt sind. Dabei setzen wir auf einen technologieoffenen Ansatz, der nicht nur Elektromobilität, sondern auch Wasserstoff als Alternative gleichberechtigt fördert. Ziel ist es, durch gezielte Investitionen und marktwirtschaftliche Anreize den Ausbau der Lade- und Tankstelleninfrastruktur zu beschleunigen und dabei Planungszeiten erheblich zu verkürzen. Gerade in ländlichen Regionen ist es entscheidend, die Mobilitätswende praktisch umsetzbar zu machen und den Menschen echte Alternativen zu
bieten.
Zum Klimaschutz möchte ich auf deinen Hinweis eingehen, warum wir das Ziel der Klimaneutralität bis 2045 an das europäische Ziel von 2050 anpassen möchten. Der entscheidende Punkt ist, dass Klimaschutz europäisch und nicht national gedacht werden muss. Derzeit bewirkt jede Tonne CO₂, die Deutschland weniger ausstößt, dass andere EU-Staaten wie Polen oder Frankreich im Rahmen des europäischen Emissionshandels mehr CO₂ ausstoßen dürfen. Wir wollen diesen Effekt beenden, indem wir nationale Ziele durch europäische ersetzen. Dadurch wird die Reduktion von Treibhausgasen effizienter und die Kosten der Dekarbonisierung sinken – für Unternehmen und Haushalte. Gleichzeitig setzen wir uns dafür ein, dass Deutschland durch Innovationen und marktwirtschaftliche Ansätze als Vorbild agiert, anstatt wirtschaftliche Risiken durch Alleingänge einzugehen. Unser Anteil an den globalen Emissionen beträgt lediglich 1,3 Prozent, daher ist es unsere Aufgabe, internationale Zusammenarbeit und globale Lösungen zu stärken, anstatt uns in einem nationalen Sonderweg zu verlieren.
Was die Kernenergie angeht, möchte ich klarstellen: Deutschland befindet sich auf einem Sonderweg. Unter Klimaminister Robert Habeck haben wir pro Kilowattstunde mehr CO₂ bei der deutschen Energiegewinnung ausgestoßen als unter seinem Vorgänger. Wir mussten zudem teuren Atomstrom aus älteren, unsichereren Kernkraftwerken direkt hinter der deutschen Grenze zukaufen. Wir tragen also das Risiko der Kernkraft, ohne von ihr zu profitieren. Für uns lässt sich die Zeit nicht zurückdrehen – jetzt geht es darum, so schnell wie möglich so viel erneuerbare Energie wie möglich herzustellen, um unabhängig von fossilen Ressourcen aus Drittländern zu sein. Anstatt den Ausbau von Wind- und Solarkraftanlagen in Deutschland durch Planungsbeschleunigung und vereinfachte Verfahren voranzutreiben, bremsen Naturschutzgutachten, grüne Bürgerinitiativen und das Blockieren des Straßenausbaus den Fortschritt auf ein Schneckentempo, das unser Land und unsere Klimaziele gefährdet. Fakt ist: Grüne Klimapolitik hat zu mehr CO₂, zu teureren Strompreisen und zu einer Abhängigkeit von Autokraten geführt. Ich bin stolz darauf, dass wir als FDP für einen Kurswechsel um 180 Grad gegenüber grüner Klimapolitik stehen. Vielen Dank nochmal für deinen ausführlichen und durchdachten Brief. Du sprichst viele wichtige Punkte an, die auch uns in der FDP am Herzen liegen.
Ich hoffe, ich konnte dir unsere Positionen etwas näherbringen, und freue mich, wenn du auch in Zukunft mit deinen Fragen oder Anregungen auf mich zukommst.
Viele Grüße,
Rainer Semet, Md