In Kooperation mit der „Pforzheimer Zeitung“ haben die Oberstufenschüler des Pforzheimer Hebel-Gymnasiums zum Jahresanfang Briefe mit ihren Fragen an die Direktkandidaten des Wahlkreises Pforzheim/Enz formuliert. Nun sind die Antwort-Briefen eingegangen.
PZ
Pforzheim
Briefe aus Berlin: Pforzheimer Schüler haben gefragt, die Linke geantwortet
  • Wiest, Arndt, Zimmer

Pforzheim. Es sind teilweise schwierige Fragen, mit denen sich Katja Mast (SPD), Rainer Semet (FDP), Gunther Krichbaum (CDU), Helmut Kuntschner (Linke), Diana Zimmer (AfD) sowie die hiesigen Grünen auseinandersetzen mussten. Wie kommen wir gegen den Ärztemangel an? Konkurrieren Klimaschutz und Sozialpolitik? Und was ist überhaupt die „deutsche Identität“? Sei es Tierschutz, die Verkehrspolitik, Kinderarmut – die Oberstufenschüler des Pforzheimer Hebel-Gymnasiums haben sich mit Blick auf die Bundestagswahl am 23. Februar mit vielen verschiedenen Themen beschäftigt.

In Kooperation mit der „Pforzheimer Zeitung“ haben die Oberstufenschüler aus dem Gemeinschaftskundeunterricht von Lehrerin Sina Feuchter, dem Geschichts- oder Deutschunterricht von Lehrer Sebastian Barth und dem Deutschunterricht von Lehrerin Christiane Neudorfer zum Jahresanfang klassenübergreifend Briefe mit ihren Fragen an die Direktkandidaten des Wahlkreises Pforzheim/Enz formuliert. Am vergangenen Samstag sind diese unter dem Titel „Briefe nach Berlin“ in der PZ erschienen – und die Vertreter der Politik hatten nun eine Woche Zeit, auf die Texte zu antworten. 

Die Briefe mit den Fragen an die Linke gibt es hier.

Antworten der Linken

"Sehr geehrte Frau Weckwerth,

vielen Dank für Ihre ausführlichen und durchdachten Fragen, die wichtige Aspekte unseres Alltags betreffen. Gerne möchte ich auf die Punkte eingehen und dabei unsere Positionen darlegen. Migration wird in der heutigen Zeit viel zu oft als „Mutter aller Probleme“ dargestellt – ein Narrativ, das ich für grundfalsch halte. Die Probleme unseres Landes, wie die schlechte Infrastruktur, kaputte Schulen, überlastete Kitas und Krankenhäuser, der Mangel an bezahlbarem Wohnraum und fehlende Fachkräfte, sind nicht die Folge von Migration. Sie sind das Ergebnis einer jahrzehntelangen Politik des Sparens und des Versagens. Es braucht endlich einen politischen Wechsel, damit die Menschen spürbar besser leben können. Und das erreichen wir nur solidarisch und gemeinsam – dafür stehe ich persönlich, aber auch wir als Partei Die Linke. Man möge sich nur vorstellen, dass alle Menschen mit Einwanderungsgeschichte für eine Stunde ihre Arbeit ruhen lassen würden: Keine Kita würde mehr funktionieren, kein Bus würde fahren, kein Krankenhaus könnte seinen Betrieb aufrechterhalten. Migration ist eine Bereicherung und ein unverzichtbarer Teil unserer Gesellschaft. Die permanente Hetze gegen Menschen mit Einwanderungsgeschichte muss endlich ein Ende haben!

1. Integration vs. Teilhabe

Mit „Teilhabe statt Integration“ meinen wir, dass Menschen mit Einwanderungsgeschichte nicht in erster Linie als „Anzupassende“ betrachtet werden dürfen. Vielmehr geht es darum, sie als gleichberechtigte Mitglieder unserer Gesellschaft zu behandeln und ihnen umfassende politische, soziale und wirtschaftliche Partizipation zu ermöglichen. Integration ist für uns ein wechselseitiger Prozess: Beide Seiten – die Aufnahmegesellschaft und die Zugewanderten – tragen Verantwortung für ein erfolgreiches Miteinander.

2. Partizipationsrat

Der von uns vorgeschlagene Partizipationsrat soll ein repräsentatives Gremium sein, in dem Menschen mit Migrationsgeschichte ihre Interessen einbringen können. Er soll beratend tätig sein, aber auch Entscheidungsprozesse in wichtigen Bereichen wie Wirtschaft, Wissenschaft und Politik mitgestalten. Ziel ist es, sicherzustellen, dass diese Perspektiven nicht nur gehört, sondern ernsthaft berücksichtigt werden.

3. Sprachförderung

Die Sprache ist ein Schlüssel zur gesellschaftlichen Teilhabe und zum Erfolg auf dem Arbeitsmarkt. Deshalb setzen wir uns für einen flächendeckenden Ausbau von Sprachkursen ein – und zwar so, dass sie niedrigschwellig und kostenlos zugänglich sind. Ehrenamtliches Engagement ist wichtig, aber es darf nicht als Ersatz für staatliche Verantwortung dienen.

4. Herkunftssprachen in Schulen

Unser Ziel ist es, Herkunftssprachen als Teil der kulturellen Identität von Schülerinnen und Schülern anzuerkennen und zu fördern. Dies bedeutet jedoch nicht, dass Deutsch als gemeinsame Sprache in den Hintergrund treten soll. Vielmehr sollen Kinder mit Migrationsgeschichte die Möglichkeit haben, sowohl ihre Muttersprache als auch Deutsch auf einem hohen Niveau zu erlernen.

5. Ressourcen und Lehrermangel

Wir sind uns bewusst, dass der aktuelle Lehrermangel eine große Herausforderung darstellt. Um den Beruf attraktiver zu machen, fordern wir bessere Arbeitsbedingungen, höhere Gehälter und gezielte Ausbildungsprogramme. Das Zwei-Lehrer-System und die individuelle Förderung sehen wir als zentrale Maßnahmen, um Schülerinnen und Schüler – unabhängig von ihrer Herkunft – bestmöglich zu unterstützen.

6. „Eine Schule für alle“

Die „Schule für alle“ ist ein langfristiges Ziel, das Chancengleichheit für alle Kinder schaffen soll. Wir wollen keine Bildungssegregation mehr, sondern eine Schule, die Kinder unabhängig von ihrer sozialen oder ethnischen Herkunft individuell fördert. Um dies zu erreichen, sind Investitionen in Bildung unabdingbar – und diese Investitionen sind für uns keine Kosten, sondern eine notwendige Grundlage für die Zukunft unserer Gesellschaft.

7. Ausbau der VKL-Klassen

Die VKL-Klassen sind eine wichtige Möglichkeit, neu zugewanderte Kinder sprachlich und fachlich auf den Regelunterricht vorzubereiten. Wir setzen uns für deren Stärkung ein, damit diese Schülerinnen und Schüler besser auf den Übergang in die Regelklassen vorbereitet werden.

Abschließend:

Wir von der LINKEN wollen eine Gesellschaft, in der Vielfalt als Stärke und nicht als Bedrohung wahrgenommen wird. Es geht darum, allen Menschen gleiche Chancen zu bieten, ihre Potenziale zu entfalten. Nur so können wir den Herausforderungen unserer Zeit gemeinsam begegnen. 

Vielen Dank für Ihr Interesse und Ihre wichtigen Anregungen. Ich freue mich auf einen weiteren Austausch."

Mit solidarischen Grüß

Helmut Kuntschner

"Sehr geehrte Frau Ziegler,

sehr geehrte Frau Mercier,

vielen Dank für Ihr Schreiben und Ihr großes Interesse an einer zukunftsfähigen Klimapolitik. Es freut uns sehr, dass Sie sich als junge Menschen so engagiert mit den drängenden Fragen unserer Zeit auseinandersetzen. Ihre Sorgen und Fragen teilen wir, und wir möchten Ihnen gerne erläutern, wie wir als Partei Die Linke die Verbindung von Klimaschutz und sozialer Gerechtigkeit verstehen und umsetzen wollen. Sie haben vollkommen recht, dass der Klimawandel eine immense Bedrohung darstellt, die uns alle unter Zeitdruck setzt. Die bereits spürbaren Folgen – wie extreme Wetterereignisse, Dürren oder Überschwemmungen – treffen jedoch nicht alle Menschen gleich. Vielmehr verschärfen sie bestehende Ungleichheiten, da Menschen mit geringem Einkommen oft weniger Möglichkeiten haben, sich vor den Folgen zu schützen oder sich anzupassen. Deshalb sehen wir Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit als untrennbar verbunden an. Eine Klimapolitik, die soziale Härten ignoriert, würde nicht nur ungerecht sein, sondern auch an Akzeptanz in der Bevölkerung scheitern. Unser Ziel ist es, beide Herausforderungen gemeinsam zu bewältigen. 

Ihre kritische These, dass es immer Menschen geben wird, die in Armut leben müssen, teilen wir nicht. Wir glauben, dass Armut kein unabwendbares Schicksal ist, sondern das Ergebnis politischer Entscheidungen. Eine gerechte Verteilung von Ressourcen und Chancen ist möglich – und notwendig, um den Klimawandel effektiv zu bekämpfen. Denn nur wenn alle Menschen an den notwendigen Veränderungen teilhaben können, werden wir die breite Unterstützung finden, die wir für eine erfolgreiche Klimapolitik brauchen. Deshalb setzen wir uns für eine sozial-ökologische Transformation ein, die sowohl den Planeten schützt als auch ein gutes Leben für alle ermöglicht.

Zu Ihren konkreten Fragen zu unseren verkehrspolitischen Zielen: Wir sind der Überzeugung, dass der Ausbau des Bahnnetzes und ein kostenfreier öffentlicher Nahverkehr Hand in Hand gehen müssen. Ein gut ausgebautes und attraktives Bahnnetz ist die Grundlage für eine klimafreundliche Mobilität. Gleichzeitig muss der öffentliche Nahverkehr für alle Menschen erschwinglich und zugänglich sein, um eine echte Alternative zum Auto zu bieten. Die Einführung eines kostenfreien Nahverkehrs für Kinder und Senioren ist dabei ein erster Schritt, der auch sozial gerecht ist, da er gerade jenen zugutekommt, die oft über weniger finanzielle Mittel verfügen. Langfristig streben wir einen komplett kostenfreien öffentlichen Nahverkehr für alle an.

Die Finanzierung dieser Vorhaben ist natürlich eine Herausforderung, aber wir sind überzeugt, dass sie machbar ist. Durch eine gerechte Besteuerung von großen Vermögen und Konzernen sowie die Umleitung von Subventionen, die derzeit noch in umweltschädliche Technologien fließen, können wir die notwendigen Mittel aufbringen. Kurzfristige Preissenkungen für bestimmte Gruppen sind sicherlich ein Schritt in die richtige Richtung, aber sie reichen nicht aus, um die notwendige Verkehrswende zu erreichen. Wir brauchen mutige und langfristige Lösungen, die den Klimaschutz voranbringen und gleichzeitig soziale Gerechtigkeit fördern.

Ihr Vorschlag, den Fokus zunächst auf den Ausbau des Schienennetzes zu legen, ist nachvollziehbar. Allerdings sehen wir darin keine Alternative zu unseren Plänen, sondern eine Ergänzung. Beide Maßnahmen – der Ausbau des Bahnnetzes und die Einführung eines kostenfreien Nahverkehrs – sind Teil einer umfassenden Strategie, die wir parallel umsetzen wollen. Nur so können wir sicherstellen, dass der öffentliche Verkehr attraktiv und für alle zugänglich wird. Noch einmal vielen Dank für Ihr Engagement und Ihre kritischen Fragen. Wir hoffen, dass wir Ihnen unsere Positionen verständlich darlegen konnten und freuen uns, wenn wir Sie weiterhin für unsere Ideen einer sozial-ökologischen Transformation begeistern können."

Mit freundlichen Grüßen,

Helmut Kuntschner