
Pforzheim. Der gutbürgerliche Pforzheimer jeden Geschlechts, den es ja auch gibt, ist kultiviert-lebensfroh und mag das französische Savoir-vivre. Außerdem geht er immer gerne zur Vereidigung des neu gewählten Oberbürgermeisters. Die dieses Jahr tatsächlich Neues zu bieten hat: Erstmals in diesem Jahrtausend ist der Neue auch der bisherige – Peter Boch wurde bekanntlich bei der Wahl im Amt bestätigt. Und immerhin wir Nichtmehrganzjungen erinnern uns, dass Christdemokrat Boch bei seiner ersten Vereidigung einen Wunschgast hatte – den damaligen CDU-Landesvorsitzenden Thomas Strobl. Der verblüffte bei dieser Gelegenheit ebenjenes gutbürgerliche Pforzheimer Publikum, indem er in seiner Rede den französischen Dichter Victor Hugo zitierte – den er aber nicht französisch, also „Hü-goooh“, aussprach, sondern sehr deutsch. Wie den in Pforzheim gleichfalls beliebten „schwach alkoholischen Cocktail aus Prosecco, Zitronenmelisse, frischer Minze und Sodawasser“.
Das gutbürgerliche Pforzheimer Publikum kannte und kennt den Unterschied, und so ging ein Raunen durch den Großen Saal des CongressCentrums. Worauf der Innenminister und stellvertretende Ministerpräsident kurz innehielt und ins Publikum fragte: „Hat der hier eine besondere Bedeutung, der Victor Huh-Go?“ Acht Jahre später gibt es zwar für Peter Boch keinen Nachfolger, aber für Strobl: Der CDU-Landesvorsitzende (und Spitzenkandidat für die Landtagswahl im nächsten Frühjahr) heißt nun Manuel Hagel, und er kommt, wie zuvor Strobl, als Bochs Wunschredner zur Vereidigung am Mittwoch, 3. September, in den Großen Saal des Congress-Centrums. Wo er im Rahmenprogramm des Abends auf zwei prominente Pforzheimer trifft, die üblicherweise Veranstaltungen mit Landtagswahl-Spitzenkandidaten zu boykottieren drohen.


Ein bisschen Oettinger: Strobl sorgt bei Boch-Feier für Lacher
Also: Soweit sie nicht selbst einer jener Spitzenkandidaten sind – auf FDP-Vormann Hans-Ulrich Rülke trifft das zu, der an diesem Abend als dienstältester Stadtrat Bochs Vereidigung übernimmt und damit in die Fußstapfen der legendären SPD-Frau Ellen Eberle tritt – große Fußspuren? „Schuhgröße 39“, verrät Eberle PZ-news. Was relativ groß ist, aber für Rülke augenscheinlich zu klein.


Ticker zum Nachlesen: Boch legt Amtseid ab - Erste Rede
Wir raten allerdings von der Aschenputtel-Lösung ab, den Fuß dem Schuh chirurgisch anzupassen. Soweit bekannt, übernimmt man die Aufgabe auch mit eigenem Schuhwerk, dem jeweiligen Anlass angemessen. Das gilt dann auch für den Umgang mit dem Auftritt eines konkurrierenden Landtagswahl-Spitzenkandidaten als Grußwortredner: Als vorübergehend der grüne Vertreter dieser Spezies, Cem Özdemir, als Freund und auf Wunsch der zu ehrenden Pforzheimer Friedenspreisträgerin Düzen Tekkal ein Grußwort halten sollte, zürnte Rülke und kündigte sein Fernbleiben an: „Ich werde ganz sicherlich nicht in meinem eigenen Wahlkreis Staffage sitzen, wenn mein grüner Gegenkandidat ein Forum geboten bekommt, um sich im Wahlkampf zu profilieren.“


Krichbaum und Rülke üben Kritik an Auftritt von Cem Özdemir bei Pforzheimer Friedenspreis
Ähnlich, wenngleich auch nicht aus der Warte des Landespolitikers, hatte sich der Pforzheimer CDU-Bundestagsabgeordnete und nun Staatsminister im Auswärtigen Amt geäußert, Gunther Krichbaum, der bei Bochs erneuter Vereidigung nun ebenfalls als Redner auf dem Programm steht. Aber gut: Ihn verbindet mit dem CDU-Landeschef das Parteibuch, Rülke mit Hagel wiederum eine Männerfreundschaft. Und die Hoffnung, eine Deutschlandkoalition zu bilden, die Grünen als aktuell große Regierungspartei in die Opposition zu schicken und die von Hagel angedachte neue, zehnte Universität des Landes nach Pforzheim zu holen. Gebildete Menschen mit Lebensart kann es hier schließlich nie zu viele geben. Bring mir noch einen Hugo, Victor!