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Auch Tage nach dem Tornado war die Feuerwehr noch im Dauereinsatz – so wie hier in der Lisainestraße.  Foto: Stadtarchiv Pforzheim, S1-12-1-17-V-9, E. A. Kraus 
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Vor der Buckenbergkaserne gönnen sich Soldaten des französischen 3. Husarenregiments eine kurze Pause.  Foto: Stadtarchiv Pforzheim, S1-12-1-5-V-2, Eva Bischoff 
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Schwere Schäden richtete der Tornado in der Bleichstraße an.  Foto: Stadtarchiv 
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Der Verlauf des Tornados 1968. Grafik: PZ 

Kein Strom und nur eine Motorsäge: Katastropheneinsatz nach dem Tornado 1968

Pforzheim. Feuerwehr, Bundeswehr und Co. bestritten in den Stunden und Tagen nach dem Tornado den größten Katastropheneinsatz in Pforzheim seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Die Helfer waren im Dauereinsatz – und hatten mit Herausforderungen zu kämpfen, die bis dahin unvorstellbar gewesen waren.

Autos, die ineinandergekracht am Straßenrand stehen. Laternen und Bäume, die umgeknickt wurden wie Streichhölzer. Und Schutt, soweit das Auge reicht. Das sind die Bilder, von denen viele Menschen in der Region berichten, sobald sie nach ihren Erinnerungen an den Tornado des 10. Juli 1968 gefragt werden. Was dabei oft vergessen wird: In den Stunden nach den Naturgewalten in jener verhängnisvollen Nacht war von all dem zunächst nur wenig zu sehen: „Es war dunkel, da der Strom ausgefallen war“, erinnert Patrick Sturm, stellvertretender Leiter des Stadtarchivs Pforzheim. Für den Katastropheneinsatz hatte dies weitreichende Folgen.

„Das Ausmaß des Schadens war zunächst nicht zu überblicken“, sagt Sturm. Der Historiker hat für ein Buch über den Tornado zahlreiche Verwaltungsberichte, Einsatzberichte und Abrechnungen gesichtet und analysiert. Alleine in Pforzheim waren über 1000 Haushalte von der Energieversorgung abgeschnitten, auch die Straßenbeleuchtung war in Teilen der Stadt ausgefallen. Auch deswegen, erklärt Sturm, habe der damalige Oberbürgermeister Willi Weigelt erst um 1.50 Uhr Katastrophenalarm ausgelöst – gut vier Stunden nach der Katastrophe. Anwohner warfen Autoscheinwerfer und Taschenlampen an, um die Schäden zu begutachten. Hilfreich sei auch gewesen, dass der Mond in jener Nacht recht hell leuchtete, sagt Friedrich Häffelin, der damalige Zugführer des Dillweißensteiner Feuerwehr-Löschzugs. „Aber man hat trotzdem erst am nächsten Morgen erkannt, wie schlimm es war.“

Eine der wichtigsten Aufgaben der Einsatzkräfte war zunächst, die Hauptverkerhsstraßen zumindest einspurig freizuräumen. Doch das war alles andere als einfach. Denn: „Die Feuerwehr in Pforzheim, die damals ja noch eine freiwillige war, hatte insgesamt nur eine einzige Motorsäge“, sagt Häffelin. „Gegen Hochwasser und Feuer waren wir bestens ausgerüstet. Aber mit so etwas hatte niemand gerechnet.“ Mit Handsägen befreiten die Mitglieder seines Löschzugs daher die Schwarzwaldstraße von umgestürzten Bäumen. Doch beim Wasserturm war Endstation. „Drei, vier umgestürzte Tannen blockierten da die Straße“, so Häffelin. „Dort kamen uns dann die Kameraden aus Büchenbronn zuhilfe. Die waren in Begleitung von Forstarbeitern, die Motorsägen dabei hatten.“

Aufgrund der Blockaden stauten sich schon kurz nach dem Tornado Privatwagen, mit denen Verletzte ins Krankenhaus gebracht wurden. Auch das Rote Kreuz und französische Soldaten halfen mit, Verletzte vom Buckenberg nach unten zu bringen. „Und auch in Dillweißenstein haben uns die französischen Soldaten mit Schaufelladern unterstützt“, erinnert sich der heute 88-jährige Häffelin. Als „große organisatorische und logistische Leistung“ stuft es Sturm ein, „dass Hilfe so schnell in die Wege geleitet wurde“.

Das Buch mit dem Titel „,Die Bäume liegen im Wohnzimmer und die Möbel im Garten‘– Der Pforzheimer Tornado vom 10. Juli 1968“ ist ab dem 6. Juli im Handel erhältlich. Geschrieben und gestaltet wurde es vom Stadtarchiv Pforzheim. Es erscheint im Verlag regionalkultur und wird 9,90 Euro kosten.

Andreas Friedrich, Tornado-Experte des Deutschen Wetterdiensts, wird gemeinsam mit Augenzeugen auf dem Podium sitzen, wenn die PZ am 4. Juli um 19 Uhr auf den Tornado zurückblickt. Der Eintritt ist frei. Anmeldung per E-Mail an verlag@pz-news.de oder telefonisch unter (0 72 31) 93 31 25.

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Simon Walter

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