
Pforzheim. „Der erste Zugang zu harter Pornografie erfolgt bei Kindern und Jugendlichen meistens über soziale Netzwerke“ – das ist nur einer der Sätze, die Eltern, Großeltern, Sozialpädagogen und Lehrer am Montagabend im PZ-Forum zum Schlucken bringen. Der Sozialpädagoge und Medienexperte Clemens Beisel nimmt kein Blatt vor den Mund, als er vor rund 100 Zuhörern darüber spricht, „Wie Smartphones, soziale Netzwerke und Co. Kindheit und Jugend verändern“. Er spricht von Pornografie und Rassismus in Whatsapp-Klassen-Chats, von Schönheitsfiltern und Frauenfeindlichkeit auf Plattformen wie Instagram und TikTok. Und er nennt Zahlen, die kaum zu glauben sind.
„Heute bei einem Workshop hatte ich mindestens vier Schüler, die mehr als neun Stunden am Tag auf ihr Smartphone schauen“, sagt er. „Die schlafen natürlich nicht so gut und nicht so viel.“ Ungewöhnliche Werte seien das allerdings nicht. Spitzenwert sei ein Schüler, der in einer Osterferienwoche 67 Stunden alleine in dem sozialen Netzwerk TikTok verbracht habe.



Kinder ständig am Handy: Medienexperte gibt nützliche Tipps für Eltern
Was er sich wünscht? Eltern, die ein gutes Beispiel sind. Und so lässt er seine Zuhörer zu Beginn selbst überprüfen, wie oft sie ihr Smartphone täglich entsperren. Der Schnitt, erklärt er, liege bei alle 15 Minuten. Beisel kennt auch die Antwort, warum wir so oft auf das Handy schauen. Jede Vibration oder jedes Klingeln sei eine Chance auf einen Glücksmoment, einen Dopamin-Kick, sagt er. Und Kindern und Jugendlichen falle es noch schwerer, sich diesem zu entziehen als Erwachsenen. Das nutzen die Apps aus.



Im Bann des Smartphones: Veranstaltungsreihe der PZ mit Sozialpädagoge Clemens Beisel
Zum einen seien sie inzwischen alle „unendlich“ und man könne unbegrenzt Zeit darin verbringen. Zum anderen „zwingen sie auch zur täglichen Nutzung“. Etwa durch tägliche Belohnungen in Spielen, die Snapchat-Flammen für regelmäßige Interaktion miteinander oder Bilder und Videos, die nur 24 Stunden verfügbar sind. „Kundenbindung“ nennen es laut Beisel die Anbieter, aber es seien Elemente, die süchtig machen. „Wie soll ein Kind da rauskommen?“, fragt er. Wenn es doch schon für Erwachsene so schwierig sei.

Tipps für Eltern
Doch was können Eltern tun? Vor allem ein gutes Vorbild sein. Darüber hinaus ist Beisel für „klare Regeln“. Dafür müssten Eltern aber auch Streits in Kauf nehmen. „Aber wenn man die Diskussion nicht führt, verliert man sein Kind“, betont er. Klare Regeln seien für ihn etwa, dass das Smartphone während der Hausaufgaben und der Schlafenszeit tabu ist. Und einen weiteren Impuls gibt er den Zuhörern mit: „Haben Sie auf einem Ferrari Autofahren gelernt?“, fragt er. Das nämlich seien die aktuellen Smartphone-Modelle. Ältere Geräte seien in der Nutzung deutlich unattraktiver. Statt Whatsapp könnten Kinder zunächst Messenger wie Signal oder Threema nutzen. Und TikTok sollten Eltern so lange wie möglich verbieten, so Beisel. Denn das sei die „ekelhafteste App momentan“.

Finanziert worden war der interaktive Vortrag von der Jakob-und-Rosa-Esslinger-Stiftung und der Stadt Pforzheim im Rahmen von „Smart City“. Thomas Satinsky, Geschäftsführender PZ-Verleger, betonte, dass die Digitalisierung eine Veränderung der Kindheit bedeute. Philipp Linde, Abteilungsleiter Smart City bei der Stadt, sprach in seinem Grußwort über den schnellen technologischen Fortschritt und wie wichtig es sei, sich regelmäßig mit dem Thema zu beschäftigen.
Die PZ bietet mit Clemens Beisel am Montag, 26. Februar, Dienstag, 12. März, und Dienstag, 14. Mai, jeweils ab 14.30 Uhr einen Workshop für eine Schulkasse ab Stufe 8 an. Bewerbungen und Rückfragen per E-Mail an baerbel.schierling@pz-news.de.