Wenn Todesangst zur Realität wird: Das sind die Erinnerungen der PZ-Leser an den Orkan Lothar
Komplett abgedeckt: Bei der Tiefenbronner Firma Schaan flog die Dachkonstruktion bis auf die Straße. Nicht das einzige Gebäude, das von Orkan Lothar abgedeckt wurde. Zahlreiche Leser berichten in Nachrichten an die Redaktion von ähnlichen Erlebnissen. Foto: Ketterl/PZ-ArchivRegion
Wenn Todesangst zur Realität wird: Das sind die Erinnerungen der PZ-Leser an den Orkan Lothar
Pforzheim/Enzkreis/Nordschwarzwald. Bäume stürzen vor und hinter dem Auto auf die Straße, ganze Dächer und Kamine fliegen davon und das Weihnachtsessen wird im Kerzenschein serviert. So oder so ähnlich gestaltete sich der zweite Weihnachtsfeiertag 1999 einiger PZ-Leser, als der Orkan Lothar über die Region fegte. In unzähligen Nachrichten haben sich Zeitzeugen bei der PZ-Redaktion gemeldet. Wir haben einige im Überblick.
Noch heute Kontakt mit einer damals fremden Familie
Ernst und Marianne Hummel hatten in ihrem Wohnhaus in Dennach gerade das Festessen für alleinstehende Senioren aufgetischt, als sie vor dem Gebäude eine auswärtige Familie entdeckten, die mit ihrem Auto in Dennach gestrandet war. Im Fahrzeug auch ein neun Monate altes Baby. Kurzerhand wurde die Festtafel erweitert und die Familie aus Vöhringen feierte den zweiten Weihnachtstag in Dennach. Marianne Hummel erzählt:
"Dennach war von der Außenwelt abgeschnitten. Umgefallene Bäume blockierten sämtliche Zufahrten. Vor unserem Haus parkte ein Auto. Ich schnappte mir den Regenschirm und ging nach draußen. Im Gespräch stellte sich heraus, dass die Familie aus Vöhringen auf dem Weg nach Baden Baden war, um einen Verwandten zu besuchen. Ich lud die Familie ein, mit uns gemeinsam zu essen. Da wir keinen Strom mehr hatten, hielten wir die Lendchen mit Spätzle durch Teelichter warm. Probleme bereitete der Schoppen für das Baby. Um ihn zu erwärmen reichten die Teelichter nicht aus. Der Kachelofen war die Lösung. Dort konnten wir die Babynahrung erhitzen. Am Abend waren die Straßen dann frei und die Familie konnte wieder heimfahren. Bis heute haben wir Kontakt. Jedes Jahr schreiben wir uns Weihnachtskarten und erinnern uns an den zweiten Weihnachtsfeiertag 1999. Anlässlich des 20. Jahrestags von Orkan Lothar wollen wir uns in diesem Jahr unbedingt treffen. Das Baby von damals ist heute 20 Jahre alt."
Der Wald auf der Wiese gestrandet
Götz Bechtle aus Bad Wildbad wollte seine Mutter und Schwiegermutter zum Weihnachtsessen abholen, doch kam durch die Verwüstungen von Orkan Lothar nicht mehr nach Hause. Erst gegen Abend konnte ein doch eher spärlicher zweiter Weihnachtsfeiertag gemeinsam zelebriert werden. Götz Bechtle berichtet:
"Ich wohne auf dem Christophshof nahe Sprollenhaus zwischen Bad Wildbad und Enzklösterle. Wie in jedem Jahr wollte ich am zweiten Weihnachtsfeiertag unsere zwei Mütter zum Weihnachtsessen zu uns holen. Etwa gegen 10 Uhr holte ich die Damen in ihren Wohnungen ab, um mit ihnen wieder zum Christophshof zurückzufahren. Schon auf der Hinfahrt hatte meine Frau mich per Handy informiert, dass im Radio schwere Stürme angesagt seien, was ich nicht für so schlimm hielt. Nach der Tunneldurchfahrt auf der Kernerstraße Richtung Süden erster Stau: ein Baum lag quer über der Fahrbahn. Zweite Möglichkeit über die Silcherstraße! Probiert, aber eine Dame winkte mir, man könne nicht durchfahren, Bäume über der Fahrbahn. Dritte Möglichkeit über den Jahnweg und vorbei am Sportplatz war ebenfalls unmöglich, wie mir ein entgegenkommender Autofahrer erklärte. Also zurück mit beiden Frauen in die Wohnung meiner Mutter. Der Strom war ausgefallen, aber meine Mutter kochte mit Gas, was noch funktionierte. Also gab es ein warmes Essen, denn die Heizung lief ja auch nicht mehr. Über unsere Handys hielt ich den Kontakt mit meiner Frau und unserer Tochter. Meine Frau berichtete, dass der Wald auf unserer Wiese liege, die Spitze einer Fichte bis einen Meter vor unserem Wintergarten gelandet, aber am Haus anscheinend nichts beschädigt sei. Mehrfach versuchte ich am Nachmittag per Auto zu meiner Familie zu gelangen, jedoch lagen überall Bäume auf den Straßen, sodass eine Durchfahrt erst gegen Abend möglich war. Zuhause angekommen war es stockdunkel, der Strom war ja ausgefallen, auch die Straßenbeleuchtung. Glücklicherweise besaß ich noch aus früheren Campingzeiten eine Gaslampe und einen Gaskocher, den wir dann auf unserer Terrasse entflammten um eine Mahlzeit zu erhitzen. Es war wirklich kein Menue zum Zweiten Weihnachtsfeiertag. Als ich dann mit dem Autoscheinwerfer die nächste Umgebung ableuchtete, stellte ich fest, dass unsere Mädchenhaarkiefer ebenfalls entwurzelt worden war und quer über der Straße lag. Eigentlich wollten wir den etwa sechs Meter langen Baum abends einfach zur Seite rollen, was sich wegen des Gewichts des Baumes als unmöglich erwies. Also holten wir Säge und Astschere, um im Scheinwerferlicht zuerst die Äste abzuschneiden und zu -sägen, die wir dann auf unseren Parkplatz zogen. Mit großer Mühe konnten wir dann den Stamm zur Seite rollen und parallel zur Straße leben, so dass man wenigstens diese passieren konnte. Bei Tageslicht am nächsten Morgen, inzwischen hatte es ein bisschen geschneit, konnten wir dann erst das Ausmaß der Verwüstungen erkennen. Unser neues Gartenhäuschen stand noch, lediglich die hintere Dachecke war beschädigt. Das Gartentörle war direkt von einem Stamm getroffen worden, futsch! Die umlaufende Fichtenhecke war von den hereinstürzenden Bäumen viermal zu Boden gerissen, auch futsch! Unser Hausdach hatte an der Ecke über der Zufahrt zum Haus einige Ziegel schräg hochstehend parat, glücklicherweise war kein Ziegel runtergefallen. Die Schäden waren also für uns noch im überschaubaren Bereich. Die Christophstraße zwischen Christophshof und Sprollenhaus war, soweit wir von unserer Terrasse sehen konnten, gar nicht mehr sichtbar, so viele umgestürzten Bäume lagen hier drüber. Die Aufräumarbeiten dort begannen dann einen Tag später. Die Bäume auf unserer Wiese wurden erst im Jahr 2000 durch eine Arbeitsgruppe entfernt, die auch die im Wald liegenden Bäume entfernten."
Dachziegel flogen davon
Familie Frey aus Pforzheim musste am 26. Dezember 1999 unheimliches beobachten:
"Schon bei Beginn des Unwetters sind wir hoch in den Haidach zu unseren Schwiegereltern gefahren. Vom Wohnzimmer aus konnten wir das lange Hauptgebäude der französischen Husaren sehen. Der Wind nahm ständig zu. Plötzlich sahen wir, wie sich die Dachziegel des Gebäudes langsam zu lösen begannen. Immer schneller sah man die Ziegel davon fliegen, bis man dort ein großes Loch erkannte. Gegen später sind wir wieder nach Hause gefahren. Dort angekommen stand ein ganzer geziegelter Kamin eines Hauses auf dem Platz, wo Stunden davor noch unser Auto stand."
Viel zu leichtsinnig
Jochen Schneider aus Schwann war am besagten Weihnachtsfeiertag lange mit seinem Vater und seiner Schwester unterwegs. Im Nachhinein war es viel zu leichtsinnig und es hätte weitaus schlimmeres passieren können, sagt er.
"Meine Eltern lebten damals getrennt. Mein Vater wohnte in Ittersbach und meine Mutter, meine Schwester und ich in Straubenhardt-Schwann. Meine Mutter war Servicekraft im Adlerhof in Schwann und musste an diesem zweiten Weihnachtsfeiertag arbeiten. Die Abmachung zwischen meinen Eltern war, dass mein Vater uns betreut, wenn sie arbeiten ist. Der Tag begann eigentlich wie jeder Tag an dem meine Mutter arbeiten gehen musste. Wir frühstückten gegen 8 Uhr und wunderten uns schon über den zu der Zeit schon recht kräfitgen Wind. Nach dem Frühstück ging meine Mutter relativ zeitnah gegen 9.30 Uhr aus dem Haus. Ausnahmsweise mit dem Auto. Normalerweise lief sie die ca. 1,5km. Mein Vater sollte uns gegen 12, 13 Uhr abholen, um gemeinsam den Tag zu verbringen. Die starken Böen hatten bereits vorher begonnen. Mein Vater wollte uns eigentlich nicht abholen, da auf der Straße zwischen Ittersbach und Feldrennach bereits viel Gestrüpp lag, ist dann aber trotzdem gefahren. Gegen 14 Uhr holte er uns ab. Meine Schwester und ich standen am Straßenrand und machten uns einen Spaß daraus gegen den starken Wind anzulaufen. Kurz bevor mein Vater vorfuhr, rief uns noch eine Frau, die auch bei uns im Haus gewohnt hat zu, wir sollten sofort wieder rein gehen der Wind sei sehr gefährlich. Im weiteren Verlauf des Tages sahen wir dies auch mit eigenen Augen. Mein Vater kam als gerade der Strom ausfiel. Wir fuhren dann zu meiner Mutter in den Adlerhof, um die Situation zu besprechen. Dort liefen alle mit Kerzen rum, um wenigstens ein bisschen Licht zu haben. Mein Vater brachte uns danach wieder nach Hause, wo es am sichersten war. Auf der kurzen Strecke nach Hause sahen wir die ganze Wucht des Sturmes mit eigenen Augen und bekamen sie auch zu spüren. Auf der Straße vom Adlerhof in Richtung Ortsmitte erfasste eine Böe das Auto meines Vaters. Zum Glück wurde das Auto auf der Straße 'nur' zwei Meter versetzt und wir konnten weiter fahren. Auf dem weiteren Weg sahen wir viele Häuser, die teilweise oder ganz ohne Dach da standen. Ein Bild hat sich bei mir eingebrannt: das erste Mehrfamilienhaus vom Waldrand aus kommend hatte nur noch die Hälfte seines Daches. Man konnte von der Straße aus sehen, dass dort eine ganze Dachgeschoss-Wohnung offen war. Auch diverse Bäume waren bereits entwurzelt und lagen auf dem Feld beziehungsweise am Waldrand am Boden. Als wir zuhause ankamen, liefen wir schnell vom Auto in Richtung Eingangstür. Von Weitem sahen wir schon etwas auf dem Boden liegen. Als wir an der Haustür ankamen, sahen wir auch was es war. Der Kamin unseres Wohnhauses lag direkt auf dem Weg. Wir konnten daran vorbei laufen und uns ohne Blessuren ins Haus retten. Im Nachhinein realisierten wir Kinder auch, wie gefährlich die ganze Situation für uns eigentlich war. Mein Vater musste auf dem Heimweg nach Ittersbach mehrere Umwege fahren, da die direkte Strecke gesperrt war. Zum Glück ist uns allen nichts passiert. Am nächsten Tag wollten wir eine Ausfahrt mit meinem Vater machen, aber die verschoben wir auf einen anderen Tag. Meine Schwester und ich machten uns zu Fuß auf den Weg durch den Ort. Auch zum Waldrand liefen wir hoch. Von dort aus sahen wir dann das ganze Ausmaß. Eine riesige Fläche Wald, in der Größe von etwa zwei Fußballfeldern beim Segelflugplatz in Schwann war komplett platt. Heute sehe ich die ganze Situation ein wenig anders als damals. Wir sind viel zu leichtsinnig mit der Situation umgegangen. Es hätten wirklich schlimme Dinge passieren können. Diesen Tag werde ich nie vergessen."
Sascha Fenchel aus Neuweiler-Gaugenwald war am zwieten Weihnachtsfeiertag zehn Jahrer jung. Trotzdem weiß er noch ganz genau, wie die Ziegel an diesem Tag durch die Luft flogen. Sascha Fenchel erzählt:
"Ich war am Tag des Ereignisses zehn Jahre alt. Die Verwandschaft wollte zu uns zum Essen kommen, doch daraus wurde leider nichts. Viele Straßen waren unbefahrbar und sie kamen nicht mehr weiter. Wir hatten im Partyraum feiern wollen, doch weil es kalt war und nicht mal mehr die Heizung ging standen anstelle von Essen viele Kerzen auf dem Tisch. Bei den Nachbarn hatte es Ziegel vom Dach genommen. Mein Vater und mein Opa holten Ziegel von unserem Dachboden und brachten diese rüber und halfen. Ich weiß noch ganz genau, dass ich da mit ging. Jedoch bekam ich Ärger, da ich zu der Zeit ja erst zehn Jahre alt war. Ich stand bei der Scheune und sah, wie die Ziegel runterflogen. Mit schlechtem Gewissen sah ich zu, wie mein Vater und all die anderen da so rumliefen und ich dachte mir nur: hoffentlich passiert nichts. So ein Sturm hatte ich noch nie gesehen oder erlebt. So sah damals bei uns der Feiertag aus: kein Strom, keine Heizung, Verwandte die aus dem Nachbarort nicht mehr weiter zu uns kamen und auch kein Weihnachtsessen."
Suche nach dem wärmenden Zusammensein
Roland Helber aus Schömberg kämpfte sich während des Sturmes auf dem Weg nach Hause durch den Wald. Dort angekommen, konnte er mit dem Gaskocher seines Wohnwagens wenigstens einen warmen Kaffee kochen. Die Verwandschaft konnte erst am nächsten Tag die Heimreise antreten. Roland Helber erzählt:
"Vom Weihnachtstag waren noch etwa 20 Personen aus vier Generationen bei uns im Haus. Mein Vater, mein Sohn und ich gingen bei schon aufkommendem Wind ins daneben am Wald liegende damalige Kleintierzüchterheim zum Frühschoppen. Mein Sohn saß so, dass er aus dem Fenster blicken konnte und immer wieder sagte er „schon wieder einer“. Er meinte damit die umfallenden Bäume, was für uns zunächst nicht verständlich war. Als wir aufbrachen hatten wir wegen meines nicht mehr so flinken fast 88-jährigen Vaters Mühe, schnell genug an den ächzenden Bäumen vorbei nach Hause zu kommen. Dort gab es keinen Strom und damit auch keine Heizung mehr. Mein Sohn heizte den offenen Kamin an und zwar so, dass ich dessen Platzen befürchtete. In unserer Kaminecke suchten alle das wärmende Zusammensein. Die Babynahrung für die Kleinsten sollte erwärmt werden. Aber wie ohne Strom? Da kam mir der vor dem Haus stehende Wohnwagen mit dem Gasherd in den Sinn. Der wurde dann anschließend auch noch zur Kochstelle für den Nachmittagskaffee für uns und unsere Nachbarn. Ans Heimfahren für unsere Gäste war nicht zu denken. Zur Verköstigung waren die Reste des Vortags vorgesehen. Damit ging ich wieder in den Wohnwagen. Plötzlich hörte ich Klatschen, als Zeichen dafür, dass es gerade nach Stunden wieder Strom und damit Wärmgelegenheit im Haus gab. Erst am nächsten Tag, nach Entwarnung und der Freilegung gesperrter Straßen konnten die Auswärtigen die Heimreise antreten."
Markus Quintus aus Knittlingen berichtet von einer langen Horrorfahrt durch die Karlsruher Waldstadt, als der Orkan Lothar über die Region fegte. Er war eigentlich auf dem Weg zu einer Familienfeier:
"Ich war damals 14, meine Schwester acht Jahre alt. Mit unserer Mutter waren wir in der Karlsruher Waldstadt unterwegs. Wir wollten auf eine Familienfeier beim MTV Waldstadt. Mein Vater und Onkel mit Familie waren schon dort. Wir hingegen waren noch mit dem Auto unterwegs um die Oma abzuholen. Wir brauchten zwei Stunden von Eggenstein zur Oma und nochmal zwei von der Großmutter zum MTV. Auf dem Weg zur Oma mussten wir von der Straße aus auf den Fahrradweg und auf den Fußweg abwechselnd den umgestürzten Bäumen ausweichen. Dann war der Zugang zur Insterburger Straße wegen gefährlichen Bäumen gesperrt und wir fuhren weiter zur Königsberger Straße, um dort bei meiner Tante Schutz zu suchen. Dort blieben wir knapp eineinhalb Stunden um es dann noch einmal zu versuchen. Die Feuerwehr hatte bereits die Gefahrenbäume gefällt und zur Seite geräumt und wir konnten zur Oma fahren. Dort angekommen, blieben wir wieder mehrere Stunden und riefen bei der MTV an, um uns zu erkundigen. Alle Gäste waren eingekesselt, da mehrere Bäume den Parkplatz und die Zufahrten komplett versperrten. Die Feuerwehr musste erst räumen, wir sollen bleiben wo wir sind. Nach vier Stunden waren wir dann im Restaurant des MTV. Unsere Wege waren permanent mit umgestürzten Bäumen, Ästen und zerstörten Autos bestückt. Noch heute ein absoluter Wahnsinn, dass meine Mutter mit uns durch die Waldstadt gefahren ist. Denn unsere Strecken waren im Nachhinein mit Ästen und Bäumen bedeckt. Nicht auszudenken was gewesen wäre, hätten die Bäume unser Auto erwischt."
Fast schon unwirklich
Elke Dittus aus Engelsbrand konnte mit ihrer Familie im Gasthof in Unterreichenbach einen schönen zweiten Weihnachtsfeiertag feiern. Die Hin- und Rückfahrt zum Restaurant gestaltete sich aber durchaus turbulenter.
"Am zweiten Weihnachtsfeiertag 1999 waren meine Familien im Gasthof 'Löwen' in Unterreichenbach verabredet. Bis dahin hatten wir lediglich im Radio gehört, dass uns Ausläufer des Sturmes über Frankreich in den Mittagsstunden erreichen werden. Also fuhren wir los. Meine Mutter kam mit ihrem jetzt verstorbenen Ehemann von Schömberg und befuhr gegen 12 Uhr die Landstraße zwischen Grunbach und Unterreichenbach. Der Orkan traf jetzt mit voller Wucht ein. Hinter den Beiden stürzten die Bäume wie Streichhölzer über die Straße. Die Gefahr erkannt, gab der Fahrer mächtig Gas und sah nach der Kurve einen Baum über der Straße liegen. Die Durchfahrhöhe kurz abgeschätzt und mit Karacho unter dem Baum durch. Die Beiden müssten die Letzten gewesen sein, die Unterreichenbach über diese Landstraße erreichten. Im Restaurant angekommen, waren alle schon tief beunruhigt, weil die Nagold Hochwasser führte und das Lokal direkt am Fluss liegt. In Unterreichenbach selber hat man nicht so viel vom Orkan mitbekommen - hier war die Hochwassersorge prägnanter. Wir ließen uns trotz allem das gute Essen schmecken und warteten die Dinge ab. Da mein Exmann damals bei der freiwilligen Feuerwehr war, konnte er über Handy grob auf dem Laufenden gehalten werden. Da wir wussten, dass die Straßen nicht passierbar waren, harrten wir im Restaurant aus. Um circa 15 Uhr fiel dann der Strom in der Wirtschaft aus. Die Wirtin hatte einen Gasofen, den sie dann beheizte und stellte überall Kerzen auf. Es war schon unwirklich, wie wir alle in dem Gasthof saßen und es im Kerzenschein fast schon gemütlich hatten. Da die Hochwasserlage immer gefährlicher wurde, entschlossen wir uns dann gegen 17 Uhr aufzubrechen und auf die Höhe zu gelangen. Dies gelang uns nicht. Weder in Bad Liebenzell, noch in Beinberg oder Kapfenhardt kamen wir weiter. Somit verharrten wir in einem kleinen Cafe in Bad Liebenzell. Schlussendlich konnten wir dann über die Landstraße nach Schömberg fahren. Jeder war erstmal froh zuhause zu sein. Am nächsten Tag wurden wir dann von dem Anblick und den Schäden, die der Orkan bei jedem verursachte geschockt."
Lothar begleitet die Fahrt nach Österreich
Frederik Haag aus Ispringen erlebte am 26. Dezember 1999 eine turbulente Autofahrt in den Urlaub nach Österreich.
"Damals war ich acht Jahre alt. An diesem Tag fuhren meine Eltern, meine Schwester und ich in den Urlaub ins Zillertal nach Österreich. Wir haben es erst auf der Autobahn richtig mitbekommen, dass der Orkan Lothar im Anmarsch war. Die ganze Strecke bis nach München gab es immer wieder Stau und stockenden Verkehr. Immer knapp hinter und vor uns sind Bäume auf die Autobahn gekippt, die der THW beseitigen musste. Auf den Feldern neben der Autobahn konnte man Wildtiere, wie zum Beispiel Rehe aus dem Wald rennen sehen, die sich in Sicherheit brachten. Insgesamt benötigten wir an diesem Tag für die Strecke von Pforzheim nach München neun Stunden."
Riesige Nachbarstanne knallt durchs Küchenfenster rein
Am zweiten Weihnachtsfeiertag 1999 erlebte die heute 91-jährige Margot Wagner ein Erlebnis, das sie nicht mehr vergessen wird. Die Tanne, die vor ihrem Haus stand, flog plötzlich durch das Küchenfenster ins Innere. Ein Jahr später wurden die Folgen des Sturms zu einem noch größeren Problem, als bei Reparationsarbeiten der Dachstuhl Feuer fing. Margot Wagner berichtet:
"Am besagten zweiten Weihnachtsfeiertag saß die Familie bei uns im Wohnzimmer. Es war eine schöne, gemütliche Runde. Wir hatten zwar den Sturm bemerkt und haben auch gesehen, wie furchtbar sich die Bäume bewegten. Dass er solche Ausmaße haben wird, haben wir aber nicht gedacht. Ich kochte gerade unser Essen, als auf einmal die Tanne der Nachbarn bei mir ins Küchenfenster einschlug. Ich zitterte wie Espenlaub und mein Mann musste mir erst einmal einen Cognac bringen, um mich zu beruhigen. Die Tanne verlor Tausende an Tannenzapfen, die bis zu 15 Meter in der Gegend umgeschlagen wurden und unser Dach und unsere Ziegel beschädigten. Komischerweise gab es in unserer Küche keinerlei Scherben von dem Fenster. Wir mussten dann zuerst eine Säge aus dem Keller holen, um den Stamm abzusägen. Der Sturm hatte die komplette Seitenwand beschädigt und das Haus musste repariert werden. Die Handwerker kamen allerdings erst im Juni 2000. Bei Lötarbeiten auf dem Dachboden fing dieser wegen des Staubes plötzlich Feuer. Der ganze Dachstuhl brannte lichterloh. Glücklicherweise war die Feuerwehr schnell vor Ort und löschte alles sehr schnell und gut. Der Brand hatte das komplette Dachgeschoss zerstört, sodass dieses erneuert werden musste. Wir wohnen heute noch immer in dem Haus aber den Schock wegen des Orkans und seinen Folgen werde ich nie vergessen."
An dieser Stelle bedanken wir uns recht herzlich für alle Einsendungen der PZ-Leser und für die große Unterstützung.