Tino Bayer (rechts) ist ein herausragender Kopf bei der Flüchtlingshilfe in Schömberg. Schon 2020 hat die PZ berichtet, wie er dem Afghanen Jawed Alimi (links) erfolgreich bei der Suche nach einer Ausbildungsstelle geholfen hat. Auch seinem Landsmann Fahim Yaqubi stand er bei der Arbeitssuche beiseite. Von anderen Geflüchteten aus Afghanistan bekommt Bayer Verwunderung zu hören, warum den Ukrainern jetzt so viel mehr geholfen wird. Archivfoto: Moritz
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„Wir würden auch mehr schaffen“ - Ein Ehrenamtlicher aus Schömberg über die Flüchtlingskrise

Schömberg. Tino Bayer scheint unermüdlich zu sein, wenn es um Hilfe für Flüchtlinge geht. Regelmäßig ruft der Schömberger im Gemeinderat dazu auf, mit den neuen Bürgern ins Gespräch zu kommen. Und wenn ein Asylbewerber Arbeit oder eine Wohnung sucht, ist der 61-Jährige meist nicht weit. Bayer gehört zum harten Kern des örtlichen Arbeitskreises Asyl, der nach fünf Jahren „Wir schaffen das“ noch aktiv ist. Er blickt großteils zufrieden zurück und voller Optimismus in die Zukunft.

„Deutschland schafft das und hat schon viel geschafft“, sagt Bayer zum Satz von Bundeskanzlerin Angela Merkel. „Wir haben auch keine andere Wahl: Die Flüchtlinge sind hier. Wir müssen das schaffen und sie integrieren.“

Beim Gespräch in der Flüchtlingsunterkunft im ehemaligen Hotel „Mönchs Lamm“ klingt immer wieder durch, wie das in den Augen des Schömbergers am besten zu machen ist: „Wir müssen die Menschen in Arbeit bringen. Wenn sich niemand darum kümmert, gibt es Probleme.“

Der gelernte Industriekaufmann und aktuell selbstständige Hausverwalter betreut selbst ehrenamtlich fünf Asylbewerber. Drei bis vier Stunden am Tag sei er durchschnittlich damit beschäftigt, mit ihnen Bürokratie zu erledigen oder Arbeit und Wohnungen zu suchen. „Wenn jemand dahinter steht, haben es die Flüchtlinge einfacher“, sagt der 61-Jährige. Einer seiner fünf Flüchtlinge kann beim örtlichen Edeka-Markt voraussichtlich ab 1. September eine Ausbildung zum Verkäufer anfangen. Und ein anderer, den Bayer bei Müller Fleisch untergebracht hat, kann diese Woche eine Wohnung besichtigen, die näher am neuen Arbeitsplatz liegt. „Das sind schöne Momente, die einem selbst Mut machen und zeigen: Es funktioniert doch.“

Trotzdem gibt es bei der täglichen Flüchtlingsarbeit laut Bayer auch Sand im Getriebe. Die Zusammenarbeit mit den Behörden auf kommunaler Ebene funktioniere sehr gut. Vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) hat er sich aber auch schon im Stich gelassen gefühlt. Ein Flüchtling habe beispielsweise 13 Monate lang nichts zu seinem Aufenthaltstitel erfahren – somit sei er im Prinzip geschäftsunfähig.

Dass sich nach der großen Hilfsbereitschaft zu Anfang des Flüchtlingsstroms 2015 immer weniger Menschen um Asylbewerber kümmern, haben auch der Schömberger und seine inzwischen neun aktiven Mitstreiter beim Arbeitskreis Asyl erfahren müssen. „Erst wollten 30 bis 40 Bürger helfen.“ Doch irgendwann sei die Euphorie enorm abgeebbt. Die Gründe sind für Bayer unklar. Auf Negativbeispiele wie die Vorfälle in der Kölner Silvesternacht angesprochen sagt er, dass diese vielleicht auch weitere Helfer abgehalten hätten. „Man darf aber nicht alle über einen Kamm scheren. Es gibt leider Flüchtlinge, die sich strafbar machen, aber die allermeisten wollen sich integrieren, Arbeit und eine Wohnung.“ In drei bis fünf Jahren werde man gute Ergebnisse vorweisen können, ist sich Bayer sicher. „Wir sind aber auch auf mehr Ehrenamtliche angewiesen.“

Der Schömberger, dessen Mutter und Großmutter aus dem Sudetenland flüchten mussten, bleibt zuversichtlich. Selbst bei Zukunftsszenarien mit Millionen weiterer Flüchtlinge in den kommenden Jahrzehnten. „Europa wird sich nicht abschotten können“, sagt Bayer. Und: „Wir würden auch mehr schaffen.“