

- Isabel Ruf
- Nina Tschan
- Julia Wessinger
Pforzheim. Sie könnte ein ganzes Buch schreiben, wenn sie in Rente geht, sagt Katrin Kögler, während sie geübt ein Produkt nach dem anderen übers Band zieht. Die 49-Jährige arbeitet als Kassiererin im City-Supermarkt Pischzan im Herzen der Goldstadt.
Mindestens einmal täglich, so sagt sie aus Erfahrung, trifft sie dort auf unfreundliche oder respektlose Kunden – „vor allem, wenn es an der Kasse mal nicht schnell genug geht“, fügt sie hinzu. Dann werden die Leute oftmals pampig oder beleidigend. Kögler jedoch bleibt immer freundlich. Ihr Credo: „Ich bin nicht frech und gebe auch kein Kontra. Wenn man sie anlächelt, ärgern sie sich noch viel mehr.“
Die Niefernerin, die seit 25 Jahren im Verkauf arbeitet, versucht immer ein Lächeln auf den Lippen zu haben – egal, was sie sich von manchen Käufern im Supermarkt anhören muss. „Wenn ich zur Arbeit komme, lasse ich meine eigenen Probleme draußen“, sagt sie entschieden. Dann stehen die Kunden an erster Stelle, die allermeisten danken es ihr. Viele kommen immer wieder, stellen sich extra an Köglers Kasse an, plaudern mit ihr über dies und das. „Einige kenne ich inzwischen schon seit Jahren, weiß ihren Namen. Mit ihnen spreche ich sogar auch mal über Privates“, erzählt die Kassiererin, die ihren Traumjob gefunden hat. „Mein Beruf macht mir natürlich Spaß, sonst würde ich das ja nicht machen“, sagt sie und ergänzt: „Das Schönste ist für mich, wenn die Kunden zufrieden sind.“
Schmerzhafte Erfahrung
So geht die 49-Jährige jeden Tag unbeirrt und mit ansteckend guter Laune zur Arbeit – das bestätigen auch ihre Kollegen, in deren Kreis die Kassiererin besonders für ihre offene und freundliche Art geschätzt wird. Die gute Laune hält an, obwohl sie eine besonders unschöne Erfahrung machen musste: Die Flasche eines Kunden wurde am Pfandautomaten nicht angenommen und er wollte sie direkt an der Kasse abgeben – allerdings wollte er sich dafür nicht wie jeder andere auch in der Schlange an der Kasse anstellen, sondern kam von der Seite. Als Kögler ihm das freundlich erklärte, nahm er die Glasflasche und knallte sie ihr an den Arm. Der Mann wurde daraufhin von der Supermarkt-Aufsicht nach draußen geleitet und erhielt Hausverbot. Der Arm der Kassiererin schmerzte und wurde anschließend grün und blau – dennoch sah sie von einer Anzeige ab. „Ich möchte abends nicht rausgehen und Angst haben oder mein Auto zerkratzt wissen“, beschreibt sie ihre Beweggründe.

"Mehr Respekt, bitte": Kassiererin Katrin Kögler
Anfeindungen solcher Art seien aber nicht die Regel. Meistens bleibe es bei Unhöflichkeiten. Die gingen dann auch nicht von einer bestimmten Personengruppe aus. „Von etwa 18 bis 50 Jahren ist alles dabei“, stellt sie fest, „man kann da nicht alle über einen Kamm scheren“. Nach Köglers Erfahrung kommt es zudem nicht auf die Herkunft an: „Mir ist es egal, ob ich einen Deutschen, einen Türken oder einen Syrer abkassiere, das sind alles Menschen. Das nimmt sich nichts, es gibt auch freche Deutsche“, fügt sie hinzu. Auch der Schauplatz des Geschehens sei in diesem Zusammenhang unerheblich. Bevor ihr beruflicher Weg nach Pforzheim führte, hat die 49-Jährige auch schon in einer Enzkreisgemeinde gearbeitet. „Da hat man genau die Kunden wie hier in der Stadt.“
Gefühlte Zunahme von Respektlosigkeit
Für Kögler fühlt es sich jedoch so an, als hätten Unfreundlichkeiten und Respektlosigkeiten in den vergangenen Jahren zugenommen. Das sei in ihren Augen ein grundlegendes gesellschaftliches Problem. Arbeitslosigkeit und geringe Renten könnten Ursachen für die schlechte Laune mancher ihrer Kunden sein. Es gebe aus ihrer Sicht aber auch Käufer, die etwas an ihrem Auftreten ändern könnten: „Ich denke, viele sind mit sich selbst nicht zufrieden, die sollten mal in sich gehen“. Ein freundliches Wort oder ein Lächeln mache viel aus. „Ich bin doch auch immer gut drauf“, sagt die Kassiererin und lacht.
In dem seltenen Fall, dass ihr einmal etwas die Laune verdirbt, wird sie von ihren Kollegen wieder aufgebaut. „Wir sind ein super Team und halten zusammen, wir sind schon fast wie eine Familie“, betont die 49-Jährige. Schließlich ist man gemeinsam doch immer am stärksten – egal, was da noch kommen mag.
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WAS MICH WIRKLICH NERVT
"Dumme Antworten bekomme ich oft zu hören“
„Wenn man sich die Zeit zum Einkaufen nicht nimmt“, das stört die 49-Jährige mitunter am meisten. Gerade kurz vor den Feiertagen wie Ostern und Weihnachten müssten Kunden damit rechnen, dass im Supermarkt viel los ist, „da muss man einfach etwas Zeit mitbringen“. Häufig kommt hinzu, dass viele Kunden die einfachsten Umgangsformen nicht beachten. Kein Hallo, kein Tschüss, das ist für Kögler keine Seltenheit. „Dumme Antworten bekomme ich oft zu hören“, sagt sie.
Es beginnt meist bereits mit Kleinigkeiten: Beispielsweise gibt es Kunden, die zu der Kassiererin kommen und einfach nur „Tüte“ sagen, statt darum zu bitten. Das mache nahezu jeder Dritte so. „Ich antworte dann ‚bitte eine Tüte‘ und lächle“, erzählt sie.
WAS ICH MIR WÜNSCHE
„Nur ein kleines Lächeln“
„Im Grunde genommen sollen Sie so bleiben, wie Sie sind“, sagt Katrin Kögler über die meisten ihrer Kunden im Supermarkt. „Bloß mal ein nettes Wort sagen, ein Hallo oder einen guten Tag wünschen“, das würde den Umgang miteinander viel netter und respektvoller gestalten. Auch „nur ein kleines Lächeln“ mache schon viel für die Kassiererin aus. Es sind kleine Dinge, die sich die 49-Jährige wünscht – wie ein „Bitte“ oder ein „Danke“.
In der Serie „Mehr Respekt, bitte“ stellt die „Pforzheimer Zeitung“ wöchentlich eine Person vor, die in ihrem Beruf, Ehrenamt oder im Alltag mit mangelndem Respekt in Berührung kommt. Neben der Sonderseite in der gedruckten Ausgabe der PZ gibt es Eindrücke von den Protagonisten auf den Instagram- und Snapchat-Accounts von PZ-news (@pznews).
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