
- Marek Klimanski und Magnus Schlecht
Pforzheim. Angesichts der Aufsichtsratssitzung der Stadtwerke Pforzheim (SWP) in der vergangenen Woche, bei der der Wegfall der Gewinnausschüttung für 2018 an die Stadt in Höhe von 6,5 Millionen Euro beschlossen wurde, ist OB Peter Boch am Montag mit den Spitzen der Fraktionen und Gruppierungen des Gemeinderates zusammengekommen.
Boch folgt nun dem mehrheitlich geäußerten Wunsch, die Verabschiedung des Doppelhaushalts 2019/2020 wie auch der Bäderstrategie in den Januar zu verschieben. „Ich habe großes Verständnis dafür, dass der Gemeinderat mehr Zeit braucht“, so der Rathauschef in einer Pressemitteilung am Montagabend. Boch sagte demnach weiterhin zu, sicherheitshalber auch für 2020 von einem Ausbleiben der Ausschüttung auszugehen und dies im Haushalt vorzusehen. Eine Sondersitzung soll für Ende Januar einberufen werden.
Fakten spät bekannt
Der SWP-Aufsichtsratsvorsitzende, Erste Bürgermeister und ab dem Jahreswechsel auch Finanzdezernent Dirk Büscher hat unterdessen gegenüber der PZ präzisiert, vom Ausbleiben der SWP-Ausschüttung an die Stadt nicht vor Beginn der städtischen Haushaltsberatungen am 3. Dezember gewusst zu haben. Als er auf der Pressekonferenz am vergangenen Donnerstag davon sprach, vor vier Wochen Informationen erhalten zu haben, habe sich dies lediglich auf einen Gewinneinbruch der SWP-Stromsparte bezogen und nicht aufs Gesamtunternehmen.
Minus in 14 Tagen verdoppelt
In der Tat sah nach PZ-Informationen sogar der Ende November an die Aufsichtsräte ausgehändigte SWP-Wirtschaftsplan 2019 noch eine Ausschüttung in voller Höhe vor. Das Zahlenwerk ging von deutlich niedrigeren Verlusten der Stromsparte aus, als sie dann gut zwei Wochen später im Aufsichtsrat besprochen wurden. Büscher erfuhr nach eigenem Bekunden am letzten Tag der Haushaltsberatungen, dass das Ergebnis der Stromsparte nicht nur um rund fünf aus den Telesales, sondern um zehn Millionen Euro zurückgegangen war. Auf einen Verlust von nunmehr rund sechs Millionen Euro. Zusammen mit der zunächst als Ausschüttung geplanten Einbehaltung eines Veräußerungserlöses war so die Grundlage bereitet, auf der der SWP-Aufsichtsrat vergangene Woche beschloss, keinen Gewinn zu überweisen, sondern die rund 4,2 Millionen Euro Überschuss des Gesamtunternehmens im Haus zu belassen. „Das hätte man auch erst im Juli 2019 beschließen können“, sagte der SWP-Justitiar und gleichzeitige städtische Rechtsamtsleiter Detlef Wagner zum Vorwurf einer zu späten Bekanntgabe der Nicht-Ausschüttung. Auch zu seiner Doppelfunktion äußerte sich Wagner: Diese sei unproblematisch, weil ein Rechtsstreit zwischen Stadt und SWP ausgeschlossen sei, da die Stadt als Mehrheitseignerin immer das Sagen habe.
Dass die späte Information mehr als nur politisch unglücklich ist, räumten Büscher und Wagner indes ein – die Frage sei nur, wer wann was habe wissen können. „Wenn der Geschäftsführung ein so substanzieller Rückgang des Gesamtergebnisses bewusst gewesen wäre, hätte man den Aufsichtsrat informieren müssen“, so Büscher. Um aber im Haushalt oder bei den SWP Entscheidendes ändern zu können, wäre auch eine Information Tage vor den Etatberatungen zu spät gekommen.
Nun gelte es, den Sachverhalt gründlich durch Externe zu untersuchen. „Ziel ist, jemanden damit zu beauftragen, der in keiner Verbindung zu den Stadtwerken steht“, sagt Büscher. Er selbst will am Dienstagvormittag unter anderem deshalb an der SWP-Betriebsversammlung teilnehmen.
Die SWP-Geschäftsführung war am Montag dagegen zu keiner Stellungnahme bereit. So bleibt die Frage offen, wann die Geschäftsleitung von dem Verlust beim Stromvertrieb in Höhe von knapp fünf Millionen Euro durch die Neubewertung der Telesales-Verträge tatsächlich gewusst hatte. Nach Angaben der SWP von vergangener Woche fand die Untersuchung im dritten Quartal statt, also zwischen dem 1. Juli und dem 30. September. Die nächstmögliche Aufsichtsratssitzung war auf den 22. Oktober terminiert. Gab es bis dato keine belastbaren Hinweise auf die Verluste und das schleppende Stromgeschäft insgesamt? Die SWP schweigen sich dazu aus. Genauso zu der Frage, wie man das Vertrauen, das Oberbürgermeister Peter Boch gegenüber den Stadtwerken beschädigt sieht, wieder kitten möchte. Ebenfalls unklar ist, wie sich das von SWP-Chef Roger Heidt verfolgte Projekt „SWP 2021“ auf die Struktur des Unternehmens auswirkt. Heidt plant die Konzentration auf den regionalen Energiemarkt, um die SWP operativ wieder besser aufzustellen. Was aber bedeutet dies zum Beispiel für die Telekommunikationssparte oder die Beteiligung am Pforzheimer Software-Unternehmen ib Company? Hat dies auch Einschnitte im Personalbereich zur Folge? Ebenfalls nicht mitteilen wollte die SWP-Führung, ob sie an der Betriebsversammlung teilnehmen wird. Es ist davon auszugehen, dass die Mitarbeiter ebenfalls etliche Fragen haben werden.
SPD fordert Aufklärung
Aufklärung und strukturelle Verbesserungen bei den SWP und im Haushalt forderten am Montagabend per Pressemitteilung die Pforzheimer SPD-Kreisvorsitzende Annkathrin Wulff und ihr Stellvertreter Christoph Mährlein.
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