Im Redaktionsgespräch mit PZ-Redakteur Sven Bernhagen (von links) erklären die Verantwortlichen des Subunternehmers CCF ihre Rolle bei Müller Fleisch. Viorel Saplacan ist Verwalter der Arbeitsplätze dort, Paul Cirsteau Produktionsleiter der Betriebsstätten und Ioan Caprita Geschäftsführer. Oana Krichbaum, die Vorsitzende der Deutsch-Rumänischen Gesellschaft in Pforzheim, übersetzte, wenn nötig. Foto: Meyer
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Heile Welt oder Arbeitssumpf? Subunternehmer und Beschäftigte von Müller Fleisch schildern Situation unterschiedlich

Birkenfeld/Enzkreis/Kreis Calw. Die massive Corona-Welle mit mehr als 400 Infizierten beim Birkenfelder Unternehmen Müller Fleisch hat die Arbeitsverhältnisse in der Fleischbranche in den Fokus gerückt. Die Bundesregierung bereitet ein Gesetz vor, das Subunternehmer in diesem Bereich ab 2021 verbieten soll. Auf Landesebene gibt es politischen Druck, durch gesetzliche Regelungen die Unterbringungssituation der Arbeiter zu verbessern. Wie aber nehmen Beschäftigte vor Ort die Situation wahr? Wie sehen Subunternehmer ihre Rolle?

Unter den rund 1.100 Beschäftigten bei Müller Fleisch im Brötzinger Tal sind rund 650 Werkvertragsarbeiter. 260 davon stellt die Ansbacher Firma CCF als einer von sechs großen Subunternehmern. „99 Prozent unserer Arbeiter kommen aus Rumänien“, erklärt Geschäftsführer Ioan Caprita. Eingesetzt seien die Beschäftigten überwiegend in der Rinder- und Schweinezerlegung. Als Subunternehmer sei man im Betrieb selbstständig für einen ganzen Produktionsbereich verantwortlich, erklärt Caprita.

"99 Prozent unserer Arbeiter kommen aus Rumänien."

Ioan Caprita, Geschäftsführer des Ansbacher Subunternehmens CCF

Sprich: Müller Fleisch ordere beispielsweise täglich eine gewisse Anzahl an Rinderhälften, CCF habe als Zerleger vertragsgemäß zu liefern. Deshalb habe den Subunternehmer auch der Ausfall von rund 120 Corona-Infizierten seit Ostern hart getroffen.

"Wir mussten ja die Leute schützen – und unseren Werkvertrag erfüllen."

Paul Cirsteau, Produktionsleiter der Betriebsstätten, zu den Quarantäne-Maßnahmen, die auf eigene Faust ergriffen worden seien.

Schnell habe man auf eigene Faust Quarantäne-Maßnahmen ergriffen. „Wir mussten ja die Leute schützen – und unseren Werkvertrag erfüllen“, sagt Paul Cirsteau, Produktionsleiter der Betriebsstätten. Einige Tage lang hätten die Verbliebenen Extra-Schichten machen müssen, ehe Müller Fleisch die Nachfrage reduziert habe. „Aber maximal zehn Stunden am Tag“, so Cirsteau.

Eine „sehr schwere Zeit“ sei das gewesen, schildert Viorel Saplacan, der vor Ort für die Beschäftigten Ansprechpartner in sämtlichen Lebensbereichen ist. „Einwohnermeldeamt, Konto eröffnen, Ärzte finden – unsere Leute brauchen dabei Hilfe in ihrer Landessprache.“ Bezahlen müssten sie für diese Leistungen nichts. Man sei bemüht, den Arbeitern den Weg zu ebnen, um sie möglichst langfristig zu binden. Ein hier ansässiges Unternehmer könne das gar nicht leisten, deshalb seien die Subunternehmer als Schnittstelle so wichtig, sagt Caprita.

Seit zwölf Jahren sei CCF für Müller Fleisch tätig. Manche Mitarbeiter sind von Anfang an dabei, manche bleiben nur Monate, weil sie sich beispielsweise ein Auto finanzieren wollen. 70 Prozent der Beschäftigten gehörten aber zur „Stamm-Mannschaft“. Deren Verdienst bewege sich netto zwischen 1.300 Euro für eine Hilfskraft und 2.800 Euro für einen Zerleger. 190 Stunden seien das Maximum pro Monat. „Alle Beschäftigten haben deutsche Verträge. Sie sind hier sozial- und krankenversichert“, stellt Caprita klar.

"Wir sagen nicht: Du musst hier wohnen."

Viorel Saplacan, der vor Ort für die Beschäftigten Ansprechpartner in sämtlichen Lebensbereichen ist

Etwa die Hälfte der Beschäftigten habe sich privat eine Wohnung gesucht. 130 Arbeiter seien von CCF in zehn Unterkünften untergebracht, unter anderem in Pforzheim, Neuenbürg und Höfen. Die größte davon sei ein ehemaliges Hotel in der Eutinger Straße in Pforzheim: vier Stockwerke, 30 Zimmer, 50 Personen. Zwei, maximal drei Personen seien in einem Zimmer untergebracht.

220 Euro würden den Mitarbeitern fürs Wohnen pauschal vom Lohn abgezogen. Das sei alles – für Nebenkosten, Transport, Reinigung der Arbeitskleidung müssten sie nichts extra zahlen.

Wohnung auf dem freien Markt nur schwer zu bekommen

„Wir sagen nicht: Du musst hier wohnen“, erklärt Saplacan. Aber für Rumänen sei es schwierig, auf dem freien Markt etwas zu bekommen. Es gebe Vorbehalte, Kautionen, Kündigungsfristen. „Ich bin seit neun Jahren hier und habe zwei Jahre nach einer eigenen Wohnung gesucht“, so Saplacan.

"Ich dachte, Sklaverei wäre vorbei. Aber viele sagen nichts – aus Angst."

Ein 48-jähriger Pole, der bei einem Müller-Fleisch-Subunternehmer angestellt ist.

Zuletzt hatten sich auch Beschäftigte von Best Personal, die bei Müller Fleisch rund 230 Arbeiter stellen, im PZ-Gespräch zufrieden mit ihren Arbeits- und Lebensbedingungen gezeigt. Eine heile Subunternehmer-Welt also?

"Nichts ist in Ordnung"

„Nein“, sagt ein 48-jähriger Pole, der bei einem anderen Subunternehmer angestellt ist und Kritik an dessen Umgang mit den Mitarbeitern übt. Seit drei Jahren arbeite er in der Zerlegung des Birkenfelder Schlachtbetriebs, und nichts sei in Ordnung. Zwölf-Stunden-Schichten? „Normal.“ Seine Freundin (37) habe jüngst einen Monat ohne Pausentag durcharbeiten müssen: „Viel Schweinebauch einlegen – es ist Grillsaison.“ Viele der Arbeiter gingen nach einem Monat mit 900 bis 1.000 Euro nach Hause – für 200 Arbeitsstunden. Wer vier Wochen in Nachtschicht durchschufte, komme auf 1.400 Euro.

Oft würden nicht alle Stunden aufgeschrieben – so dass wenigstens auf dem Papier der Mindestlohn passe. Manchmal lasse der Lohn auf sich warten. Fürs Waschen der Arbeitskleidung werde extra Geld einbehalten. Und ihm seien auf der Abrechnung schon „Vorschüsse“ abgezogen worden, ohne dass er jemals Geld gesehen hätte.

Hygienische Zustände: "Ekelhaft"

Auch die Wohnsituation in Gemeinschaftsunterkünften kennt er. Heute lebt er mit seiner Freundin in einem Appartement, aber zu Beginn sei er mit rund 100 anderen in einem ehemaligen Hotel in Calmbach untergebracht gewesen. Als „ekelhaft“ beschreibt er die hygienischen Zustände dort. Ein Zimmer, zwölf Quadratmeter – vier Mann in zwei Etagenbetten. 220 Euro pro Schlafplatz. „Gut für den Vermieter“, sagt der 48-Jährige mit einem bitteren Lachen. Dass er kein Einzelfall sei, daran lässt der Pole keinen Zweifel: „Ich dachte, Sklaverei wäre vorbei. Aber viele sagen nichts – aus Angst.“ Sie seien angewiesen auf den Arbeitsplatz, auf das bisschen Geld, das bleibt.

Und auch die CCF-Verantwortlichen räumen ein, von Missständen in der Branche gehört zu haben. Man wolle auf niemanden mit dem Finger zeigen, „aber schwarze Schafe gibt es überall“.

Regeln in Unterkunft „weitestgehend umgesetzt“

Seit Mitte Mai gilt für Sammelunterkünfte im Kreis Calw, in denen Werkvertragsmitarbeiter von Müller Fleisch untergebracht sind, unter anderem eine Einzelzimmerbelegung. Das hatte das Landratsamt Calw damals angeordnet.

In allen drei Kommunen, in denen es entsprechende Sammelunterkünfte gebe, hätten diese Woche Kontrollen stattgefunden, teilt Anja Reinhardt, Sprecherin des Landratsamts, mit. „Diese sind im Zuständigkeitsbereich der Kommunen Schömberg, Bad Wildbad und Höfen zu finden. Die Vorgaben wurden bereits weitestgehend umgesetzt“, so Reinhardt weiter. Sie kündigt weitere Kontrollen an. Bei Verstößen könne beispielsweise ein Bußgeld verhängt werden.

„Die Höhe richtet sich nach dem jeweils vorliegenden Verstoß.“ Vergangene Woche war bekannt geworden, dass die Sammelunterkunft in der Hindenburgstraße in Höfen geschlossen wird. Der Eigentümer hat nach PZ-Informationen den Mietvertrag mit dem Subunternehmer gekündigt.