Ministerpräsident Winfried Kretschmann kündigte am Dienstagabend an, dass die Grundschulen und Kitas in Baden-Württemberg schon am 18. Januar öffnen könnten.
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Deutschland
Lockdown: Wohl keine Radius-Beschränkungen und frühere Öffnung von Grundschulen und Kitas

Berlin/Pforzheim/Enzkreis/Kreis Calw. Müssen die Menschen aus der Region bald auf ihre Bewegungsfreiheit verzichten? Bund und Länder haben sich angesichts der weiter hohen Corona-Zahlen nicht nur auf eine Verlängerung des Lockdowns bis zum 31. Januar verständigt. Für sogenannte Hotspots, zu denen aktuell Pforzheim, der Kreis Calw und seit diesem Dienstagnachmittag auch wieder der Enzkreis gehören, können die Länder zudem eine Einschränkung des Bewegungsradius auf 15 Kilometer rund um den Wohnort bestimmen. Verlassen darf man diesen Radius demnach nur noch, sobald ein triftiger Grund vorliegt. In Baden-Württemberg sehe man von dieser Maßnahme aber erst einmal ab, wie Ministerpräsident Winfried Kretschmann überraschend erst einige Zeit nach der Erklärung von Bundeskanzlerin Angela Merkel bekanntgab.

Zunächst wolle man kommende Woche zu belastbaren Daten kommen, um darüber zu entscheiden, so Kretschmann. Unabhängig davon treten alle anderen Regelungen am kommenden Montag, 11. Januar, in Kraft, so der Landesvater.

Zudem wurde der Lockdown an Schulen und Kitas ebenfalls bis Ende Januar verlängert. Das gab Bundeskanzlerin Angela Merkel an diesem Dienstagabend nach dem Treffen mit Vertretern von Bund und Ländern bekannt. Kretschmann kündigte am Dienstagabend allerdings an, dass die Grundschulen und Kitas in Baden-Württemberg schon am 18. Januar öffnen könnten.

Weitere Kontaktbeschränkungen

Auch bei den Kontaktbeschränkungen gibt es eine weitere Verschärfung: Durften sich bislang bis zu fünf Personen aus maximal zwei Haushalten treffen, ist das künftig nur noch einem Haushalt sowie einer weiteren Personen eines anderen Haushalt gestattet.

Weitere Regelungen für das Land Baden-Württemberg:

  • Die bisherigen Beschränkungen bleiben erhalten.
  • Die November-Hilfen werden spätestens ab dem 10. Januar vollständig ausgezahlt, für Dezember- und Überbrückungshilfen sind und sollen zeitnah Abschlagszahlungen möglich sein.
  • Kantinen werden geschlossen, wo es immer es die Arbeitsabläufe zulassen. Die Essensausgabe ist weiterhin möglich.

Pforzheim, der Enzkreis und der Kreis Calw wären nach den aktuellen Zahlen des Landesgesundheitsamtes Baden-Württemberg derzeit von der Regelung zur Einschränkung des Bewegungsradius betroffen (Stand: 7. Januar 2021, 19.30 Uhr). 

Ein Stadt- oder Landkreis gilt als Hotspot, wenn er an drei Tagen in Folge eine Inzidenz von mehr als 200 aufweist. Das ist bei Pforzheim der Fall. Kein Hotspot mehr ist ein Stadt- oder Landkreis, wenn er an fünf aufeinanderfolgenden Tagen eine Inzidenz von unter 200 aufweist.

Der Enzkreis ist seit diesem Dienstag wieder ein Hotspot, da er zuvor drei Tage in Folge eine Inzidenz über 200 aufwies. Der Kreis Calw ist aktuell auch ein Hotspot, obwohl die Inzidenz zuletzt (Montag, Dienstag, Mittwoch und Donnerstag) unter 200 lag - es fehlt also noch ein Tag, damit der Kreis nicht mehr als Hotspot gilt. Auch für Pforzheim und den Enzkreis gibt es Hoffnung: Sie liegen bereits zwei Tage in Folge (Mittwoch und Donnerstag) unter dem kritsichen Wert von 200.

Konsequenzen für die Pforzheimer

Für die Menschen aus der Region würde die Neuregelung mit dem beschränkten Bewegungsradius erhebliche Einschränkungen mit sich bringen. Unter anderem würde sie für die Pforzheimer bedeuten, dass sie beispielsweise nicht mehr auf den Dobel zum Rodeln fahren dürften. Denn der liegt mehr als 15 Kilometer entfernt von der Goldstadt. Die Höhengemeinden in der Region waren zuletzt so überlaufen, dass ein Verkehrschaos entstanden war und es Verstöße gegen die Corona-Verordnung gab.

Was gilt als "triftiger Grund"?

Das ist bislang noch nicht geklärt. Bisher fielen bei der abendlichen Ausgangssperre in Pforzheim etwa der Arbeitsweg, die Versorgung von Tieren oder die Pflege von kranken Angehörigen unter die Ausnahmen. Ob beispielsweise der Einkauf in einem mehr als 15 Kilometer entfernt gelegenen Supermarkt weiterhin erlaubt ist, ist noch unklar. Fest steht allerdings schon, dass tagestouristische Ausflüge keinen triftigen Grund darstellen, den 15-Kilometer-Radius zu verlassen.

Eingeschränkte Bewegungsradien gab es in Deutschland bisher nur in Sachsen, hier durften sich die Menschen ebenfalls maximal 15 Kilometer von ihrem Wohnort entfernen.

Merkel forderte in einer Fernsehansprache am Dienstagabend, weiter Kontakte zu beschränken. Außerdem appellierte sie an Arbeitgeber, Homeoffice-Möglichkeiten zu schaffen oder zu erweitern. Merkel betonte erneut, dass Bund und Länder es begrüßen, dass es eine gemeinsame Impfstrategie gebe. Daher sei das gesamteuropäische Vorgehen extrem wichtig im Kampf gegen die Pandemie.

Ein erneutes Treffen von Bund und Ländern gibt es laut Bundeskanzlerin am 25. Januar. Dann soll das künftige Vorgehen besprochen werden.

"Die Einschränkungen der individuellen Bewegungsfreiheit können ein weiteres Mittel im Kampf gegen die Pandemie sein, sind wahrscheinlich aber eher schwer umzusetzen, zumal wenn sich Enzkreis und Pforzheim bei dem Wert von 200 unterschiedlich entwickeln."

Pforzheims Oberbürgermeister Peter Boch

Boch plädiert für gute Kommunikation

Auch wenn die Einschränkungen nicht immer einfach zu akzeptieren sind, zeigt Pforzheims Oberbürgermeister Peter Boch Verständnis, wie die Stadt am Dienstagabend in einer Pressemitteilung bekanntgegeben hat: „Ich begrüße grundsätzlich die Verlängerung des Lockdowns, auch wenn dies natürlich eine Belastung für Bürgerschaft und Wirtschaft bedeutet, insbesondere den Einzelhandel, die Gastronomie, die Vereine sowie die Kulturschaffenden. Aber lieber halten wir noch etwas länger durch, als das wir jetzt die Maßnahmen lockern und diese Lockerungen dann in ein paar Wochen wieder rückgängig machen müssen." Jetzt gelte es nochmal alle Kräfte zu bündeln, denn mit den langsam anlaufenden Impfungen sei ein Ende der Pandemie endlich in Sicht, so der OB. Die Einschränkungen der individuellen Bewegungsfreiheit "können ein weiteres Mittel im Kampf gegen die Pandemie sein, sind wahrscheinlich aber eher schwer umzusetzen, zumal wenn sich Enzkreis und Pforzheim bei dem Wert von 200 unterschiedlich entwickeln", so Boch weiter. Das müsse den Bürgern sehr gut kommuniziert werden.

Lockdown wird bis 31. Januar verlängert - die richtige Entscheidung?
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Zu den Kreisimpfzentren sagte der Rathauschef: „Wir arbeiten auf Hochtouren und wenn der Impfstoff geliefert ist und die Terminvergabe- Software des Landes am 12. Januar da ist, werden wir wie vorgesehen am 15. Januar nach den Vorgaben der Corona- Impfverordnung des Bundes loslegen." Boch appellierte nochmals an die Solidarität aller Pforzheimer: "Wir werden Corona gemeinsam besiegen, wenn wir zusammenhalten und aufeinander Rücksicht nehmen!"

Mast: "Bei der Impfstoff-Frage muss es schneller gehen"

Die Pforzheimer SPD-Bundestagsabgeordnete Katja Mast äußerte zu den Beschlüssen: "Der verlängerte Lockdown ist unumgänglich. So hart es ist, wir können auch bei Schulen noch nicht zum Regelbetrieb zurück." Ihr bereite  die Überlastung in den Krankenhäusern und der Altenpflege große Sorge – "täglich am Limit arbeiten, das geht nicht mehrere Monate am Stück". Bei der Impfstoff-Frage müsse es schneller gehen, so Mast: "Es gilt, Produktion und Verteilung des Impfstoffes zu beschleunigen."

"Die Einschränkungspläne für den Bewegungsradius von Menschen sind nicht akzeptabel. Lediglich eine angeführte Inzidenzzahl von 200, bei der weitere Kriterien unberücksichtigt bleiben, rechtfertigt eine solche schwerwiegende Grundrechtseinschränkung nicht."

Hans-Ulrich Rülke, Pforzheimer Stadtrat und Vorsitzender der FDP/DVP-Fraktion im Landtag

Rülke nennt Einschränkungen "nicht akzeptabel"

Der Vorsitzende der FDP/DVP-Fraktion im baden-württembergischen Landtag und Pforzheimer Stadtrat, Hans-Ulrich Rülke, sagte zu den Beschlüssen: "Zunächst begrüße ich sehr, dass sich Bund und Länder darauf geeinigt haben, durch eine konsequente Ausweitung der Schnelltests in Alten- und Pflegeheimen die besonders gefährdeten Bewohnerinnen und Bewohner dort besser zu schützen. Die Einschränkungspläne für den Bewegungsradius von Menschen sind aber nicht akzeptabel. Lediglich eine angeführte Inzidenzzahl von 200, bei der weitere Kriterien unberücksichtigt bleiben, rechtfertigt eine solche schwerwiegende Grundrechtseinschränkung nicht."

Die vorgesehenen neuen verschärften Kontaktbeschränkungen, nach denen nur noch Einzelbesucher in einem Haushalt erlaubt sein sollen und sich somit nicht mal zwei Paare treffen dürften, seien völlig überzogen – und kaum zu kontrollieren, so Rülke.

Zu den Schulen sagte der Abgeordnete: "Alle Schülerinnen und Schüler brauchen ein Bildungs- oder Betreuungsangebot, sei es durch Präsenzunterricht, Notbetreuung oder Fernunterricht. Ein Stufenplan alleine wird nicht genügen; die Frage, was bis zu den Öffnungen geschehen soll, hat bildungspolitisch höchste Priorität."