
- Sven Bernhagen
Ein Dreivierteljahr lang hat der Dieb-Kreisel durch seinen Bau den Autofahrern im Heckengäu Zeit und Nerven geraubt, weil sie Umleitungen und Behinderungen in Kauf nehmen mussten. am Freitag nun wurde auch der letzte seiner vier „Fluchtwege“ freigegeben.
Jetzt heißt es freie Fahrt nach Friolzheim, Heimsheim, Mönsheim und Perouse. Seinen räuberischen Namen trägt er aber nicht deshalb. Und auch nicht weil der Umbau von der Dieb-Kreuzung zum -Kreisel samt Straßenerneuerung dem Land still und heimlich 1,5 Millionen Euro aus der Tasche gezogen hat. Ein aktueller Bezug aufs Geld fehlt bei der Namensgebung – anders als beim Kreisverkehr vor den Toren Birkenfelds Richtung Arlinger. Der wurde auch schon als „Bagdad-Kreisel“ bezeichnet, nachdem sich Landrat Karl Röckinger nach zähen Verhandlungen zwischen Gemeinde und Enzkreis Mitte 2014 über die Kostenverteilung öffentlich beklagt hatte: „Wir sind doch hier nicht auf dem Eiermarkt in Bagdad.“ Nein, der Kreisel nahe der A8-Auffahrt Heimsheim hat seinen Namen, genauso wie das benachbarte Gewerbegebiet, vom Waldstück drumherum – und das heißt „Dieb“. „Die älteste mir bekannte Nennung des Namens ist von 1529 in einem württembergischen Lagerbuch. Schon damals ist die Schreibweise wie heute“, sagt der aus Mönsheim stammende Flurnamen-Experte Jirí Hönes. Außerdem sei ein Waldstück unter diesem Namen auch in der Gadnerschen Forstkarte von 1590 verzeichnet.
Wo aber kommt die Bezeichnung fürs Waldstück her? „Eine Herkunft vom Wort ,Dieb‘ im heutigen Sinne ist durchaus denkbar“, sagt Hönes. Das Wort sei bereits seit dem 9. Jahrhundert belegt und komme vom mittelhochdeutschen „diep“. „Als Flurname ist es – auch in diversen Ableitungen – garnicht mal selten“, sagt Hönes und zitiert aus Walther Keinaths „Orts- und Flurnamen in Württemberg“, wo es zu „Diebsteige“ heißt: „Entlegene, bei Nacht unheimlich wirkende Steige, die angeblich oder tatsächlich von Dieben benützt wurden oder werden.“ „Gut möglich, dass sich im dunklen Wald zwischen Friolzheim, Mönsheim und Heimsheim einst tatsächlich finstere Gesellen versteckt haben und es zu Überfällen kam“, so Hönes. Denkbar sei auch, dass der Flurname auf das mittelhochdeutsche „diet“ – für Volk oder Leute – zurückgeht und durch Lautverschiebung zu Dieb wurde: „Diese Diet-Namen kommen wohl häufig an Stellen mit vorgeschichtlichen Relikten vor. Und die Römerstraße von Cannstatt nach Pforzheim streift ja den Dieb.“ Für unwahrscheinlich hält er, dass – wie in einer Mönsheimer Chronik von 1904 vermutet – der Name für den „tiefen“ Wald steht und auf das mittelhochdeutsche „tiuf“ zurückgeht.
Schon früher hat das Flurstück mit dem kriminellen Namen offensichtlich die Fantasie der Leute angeregt. „Sagentechnisch geht’s im Dieb ziemlich ab“, sagt Hönes: „Zunächst geht dort ein Pfarrer um, auf dem sogenannten Kirchwegle. Zudem hat man einen Reiter ohne Kopf im Dieb gesehen.“ Festgehalten habe das um 1900 der Mönsheimer Vikar Gustav Hoffmann. Die bizarrste der Geschichten schildert Hönes so: „Einmal sei dort ein Geist bei einem Bauern auf dem Wagen mitgefahren, worauf der Bauer ein Trinkgeld vom Geist wollte. Für diese Dreistigkeit gab es dann eine Ohrfeige.“ Da haben’s die Autofahrer heute deutlich besser: Sie kommen mautfrei durch den Dieb-Kreisel, ohne sich durch Handgreiflichkeiten den Weg freimachen zu müssen. Gute Fahrt!