
Pforzheim/Enzkreis. Fake News, Hassrede und Cybermobbing, sexuelle Belästigung oder Spielsucht – das sind einige der Gefahren, die in sozialen Medien auf Jugendliche lauern. Gleichzeitig gehören Plattformen wie Whatsapp, TikTok oder Instagram heute zur Lebensrealität der Kinder und Jugendlichen. „Verbote der Eltern helfen wenig“, sagt Sandra Boser, die nicht nur Staatssekretärin im Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg, sondern auch Mutter ist.
Wie aber kann der Schutz der jungen Menschen in den sozialen Medien dann gelingen? Darum ging es bei der Podiumsdiskussion ,,Jugendschutz in sozialen Medien und Online-Games – ein Auftrag für Familie und Politik‘‘ am Dienstagabend im PZ-Forum. Neben Boser waren Sozialpädagoge Clemens Beisel, Polizeioberkommissarin Carolin Kuhn, Martin Bregenzer, Referent für Medienkompetenz der EU-Initiative klicksafe und Kerstin Heilmann, Leiterin der Beratungsstelle Lilith zu Gast. Die angekündigte Influencerin Elena Schlegel hatte kurzfristig abgesagt. Dafür beteiligte sich die 20-jährige Laura Böhm, Social-Media-Powernutzerin und PZ-Mitarbeiterin.


Einen Klick von Pornografie entfernt: Podiumsdiskussion mit bekannten Gästen im PZ-Forum
Kinder, die sich auf Grund von Mutproben, sogenannten Challenges, das Leben nehmen, seien nur die Spitze des Eisbergs, machte Beisel zu Beginn deutlich. Jugendschutz fange früher an, etwa bei Schönheitsfiltern. Oder bei Handyspielen, die Sechstklässler an Spielautomaten heranführten. Bereits ab der fünften Klasse sei Pornografie ein Thema, erzählte Kuhn, die bei der Polizei für Prävention zuständig ist. Die Kinder schickten Fotos herum – auch von sich selbst. Dann gehe es um Kinderpornografie. Nahezu 100 Prozent der Jugendlichen auf weiterführenden Schulen hätten bereits sexuelle Belästigungen in sozialen Medien erfahren, sagte Heilmann.
„Man wird eigentlich ständig blöd angeschrieben, wenn man als Mädchen oder junge Frau auf Social Media unterwegs ist. Man kann das nicht umgehen“, bestätigte Böhm.


Ein Netz voller Gefahren: Podiumsdiskussion der PZ zu Jugendschutz in sozialen Medien
Keine einfachen Lösungen
Was also tun? Die Podiumsdiskussion zeigte: Eine einfache Lösung gibt es nicht. Das Zusammenspiel von Eltern, Schulen und Politik ist gefordert. Ein wichtiger Baustein sei für ihn das Elternhaus, sagte Bregenzer von klicksafe. Es sei wichtig, dass man sich dafür interessiere, was das Kind in den sozialen Medien konsumiert. Dazu gebe es auch verschiedene Hilfestellungen auf der Internetseite klicksafe.de. Bei der anschließenden Fragerunde im Publikum wurde gar die Forderung nach einer Elternschule schon vor der Geburt des Kindes laut.
Darin, dass die Eltern Verantwortung tragen, man ihnen den Schutz der Kinder aber nicht alleine überlassen sollte, waren sich alle Teilnehmer auf dem Podium einig. „Das Thema müsste generell im Unterricht verortet werden“, forderte etwa Heilmann.
Beisel betonte: „Wir dürfen Jugendschutz nicht den Unternehmen überlassen.“ Deren Angebote seien „lächerlich“, etwa weil sie für die Kinder viel zu leicht zu umgehen seien.
Der Staat müsse mehr eingreifen. Was die Politik tut, hatte Boser bereits zu Beginn in ihrem Impulsvortrag erläutert. Das Jugendschutzgesetz des Bundes und den Jugendmedienschutz-Staatsvertrag der Länder nannte sie als wichtigste Grundpfeiler des Kinder- und Jugendmedienschutzes. Letzterer werde derzeit überarbeitet. Dabei stehe insbesondere die technische Seite im Fokus. Vorgesehen seien etwa strengere Anforderungen an die Jugendschutzeinstellungen von Apps, Betriebssystemen und auch App-Stores.


Was macht mein Kind im Internet? - Medienexperte klärt im PZ-Forum auf
Auf europäischer Ebene begegne man illegalen Inhalten mit dem Digital Services Act (DSA). Ziel sei es für alle EU-Länder einheitliche Regeln festzulegen.„Es passiert schon viel“, pflichtete Bregenzer bei. Er bestätigte aber auch: „TikTok und Meta machen nur, was sie unbedingt machen müssen.“ Boser forderte von den Anbietern beispielsweise strengere und verlässliche Alters- und Personenverifikationen, eine kindersichere Privatsphäre-Voreinstellung von Profilen, Warn- und Sicherheitshinweisen oder niederschwellige Meldemöglichkeiten auf den Plattformen. Sie verwies außerdem auf präventive Maßnahmen und die Förderung von Informations- und Medienkompetenz. Den Schulen käme die Aufgabe zu, den Schülern Fähigkeiten zu vermitteln. Deshalb werde Medienbildung fächerintegriert unterrichtet. Die Leitperspektive Medienbildung sei verbindlich im Bildungsplan verankert. Es gebe einen Basiskurs Medienbildung in der fünften Klasse. Die Lehrer im Publikum machten jedoch deutlich: Sie arbeiten bereits jetzt am Anschlag.


Kinder ständig am Handy: Medienexperte gibt nützliche Tipps für Eltern
„Wir haben die Veranstaltungsreihe ‚Smart Kids‘ ins Leben gerufen, weil wir selbst massiv auf sozialen Medien unterwegs sind. Und das, weil wir die Jugendlichen nur noch so erreichen“, schloss Magnus Schlecht, Chief Digital Officer der PZ, die Veranstaltung.
Unterstützt wird die Reihe finanziell von der Jakob-und-Rosa-Esslinger-Stiftung und von Smart City Pforzheim.

