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Pforzheim
Kommentar zur Freistellung der SWP-Chefs: "Es ging um die Frage: Kann man der Geschäftsleitung noch vertrauen?"
  • Ein Kommentar von PZ-Chefredakteur Magnus Schlecht

Am Mittwochabend wurden im Pforzheimer Rathaus nach einer Aufsichtsratsitzung die Weichen für einen kompletten Neuanfang der Stadtwerke Pforzheim (SWP) gestellt – ohne die bisherige Geschäftsführung mit Roger Heidt und Thomas Engelhard. Ein Kommentar von Magnus Schlecht:

Die Absetzung der SWP-Geschäftsführung ist der von vielen herbeigesehnte Befreiungsschlag für die Stadtwerke Pforzheim. Zu viel sprach gegen die Herren Heidt und Engelhard, weil sie in den vergangenen Wochen und Monaten Probleme im Unternehmen verheimlicht und vertuscht haben. Zu stark war das Vertrauen zwischen der Rathausspitze und dem kommunalen Energieversorger beschädigt, und zu groß war die Sorge bei vielen Kunden in der Region, was bei ihrem Energiedienstleister eigentlich los ist. Es ging gar nicht mehr darum, wie die Stadtwerke wirtschaftlich dastehen und zu welchem Ergebnis die Wirtschaftsprüfer von Ernst & Young kommen werden. Es ging am Ende nur um die Frage: Kann man dieser Geschäftsleitung noch vertrauen? Die Antwort lautet: Nein.

Insofern konnte der Aufsichtsrat gar nicht anders entscheiden, als die Demission der Geschäftsführer einzuleiten. Das Gremium hat dennoch auch Mut bewiesen. Wer die politischen Seilschaften im Zusammenhang mit den Stadtwerken kennt, der weiß, dass es besonders für Aufsichtsratschef und Ersten Bürgermeister Dirk Büscher (CDU) auch mit einem hohen persönlichen Risiko verbunden war, dem Aufsichtsrat den kompletten Neustart bei den Stadtwerken nahezulegen. Wäre er gescheitert, hätte er zurücktreten müssen. So aber ist er derjenige, der für die konsequente Aufarbeitung der Vorgänge bei den Stadtwerken und für den Neustart des Unternehmens steht.

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Der Rückendeckung von Oberbürgermeister Peter Boch als gesetzlicher Vertreter des Hauptanteilseigners konnte er sich sicher sein. Der Ärger über die ausgesetzte Gewinnausschüttung, die verhinderte, dass er seinen ersten Haushalt durchbringen konnte, war bei ihm nach eigenem Bekunden sehr groß. So groß, dass er bereit war, nicht nur die Geschäftsleitung fallenzulassen, sondern sich auch gegen parteiinterne Seilschaften innerhalb seiner CDU zu stellen. Gut möglich, dass Parteifreund Heidt sowohl die Willensstärke von Boch als auch das Durchsetzungsvermögen von Büscher unterschätzt hat.

Nun aber ist längst nicht alles gut. Jetzt gilt es, die Stadtwerke schnell wieder auf Kurs zu bringen – und hierzu braucht es nicht nur eine neue Geschäftsleitung, die das Unternehmen mit Kompetenz und einer vernünftigen Strategie neu ausrichtet und zukunftsfest macht. Auch der Aufsichtsrat ist gefordert, indem jedes einzelne Mitglied seine Rechte und Pflichten verantwortungsvoll wahrnimmt. Es drängt sich der Eindruck auf, dass dies in der Vergangenheit bei dem einen oder anderen Gremiumsmitglied nicht ganz so ausgeprägt war. Aber nur ein aktiver Aufsichtsrat kann seine Kontrollfunktion wirklich wahrnehmen und mit dafür sorgen, dass das Vertrauen in die SWP wieder hergestellt und die am Boden liegende Unternehmenskultur auf eine neue Basis gestellt wird. Das ist man den fast 500 Mitarbeitern, den Zehntausenden SWP-Kunden in der Region und nicht zuletzt den Bürgern dieser Stadt schuldig.

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