
Die Stadtwerke sind regional verwurzelt – doch im bundesweiten Stromvertrieb gibt es wohl massive Probleme.
Ketterl- Magnus Schlecht und Lothar Neff
Pforzheim. Auch nach der Sondersitzung des Aufsichtsrats der Stadtwerke Pforzheim (SWP) am Freitag bleiben viele Fragen unbeantwortet. Hintergrund ist die Aussetzung der Gewinnausschüttung und die hohe Verschuldung beim kommunalen Versorgungsunternehmen.
Die außerordentliche Zusammenkunft war kurzfristig auf Wunsch der Aufsichtsräte einberufen worden, wie der Aufsichtsratsvorsitzende und Erster Bürgermeister der Stadt Pforzheim, Dirk Büscher, sowie sein Stellvertreter im Aufsichtsrat, Otto Huber (Thüga AG) mitteilten.
Die Stadtwerke Pforzheim GmbH & Co. KG sei ein gesundes Unternehmen mit einer Eigenkapitalquote über 37 Prozent. „Alle Sparten liefern positive Ergebnisse – Ausnahme ist aktuell der Stromvertrieb.“ Der Aufsichtsrat erwarte, dass das Unternehmen im Bereich des Stromvertriebs neu aufgestellt wird und die damit notwendigen strukturellen Veränderungen angegangen werden, heißt es in der Pressemitteilung. Der Aufsichtsrat sei sich seiner Verantwortung gegenüber den Mitarbeitern der SWP bewusst und stehe voll hinter dem Unternehmen. „Weiterhin besteht jedoch Klärungsbedarf zu einigen Punkten.“
Offenbar geriet gestern neben der SWP-Geschäftsleitung auch Betriebsratschef Henry Wiedemann schwer in die Kritik, der seinerseits den Aufsichtsrat im PZ-Interview kritisiert hatte. Umgekehrt fragt man sich dort wohl, warum Wiedemann nie wirklich vor der Verschuldung gewarnt habe, wie er es im Gespräch mit der „Pforzheimer Zeitung“ behauptet hatte. Man habe die Aufsichtsräte immer nur darauf hingewiesen, dass investiert werden müsse. Kritisiert wurde auch die Personalpolitik der SWP. Warum habe Wiedemann als Betriebsratschef nicht reagiert, als vor einem Jahr die zweite Führungsebene fast komplett von Bord ging, wollte man wissen. Wiedemann selbst war gestern für die PZ nicht zu erreichen.
Zudem war man im Gremium wohl darüber irritiert, dass Geschäftsführer Roger Heidt erst auf öffentlichen Druck hin in die Vorwärtsverteidigung gegangen sei, nun aber wieder schweige. Ferner war zu hören, dass man von Seiten der SWP in den vergangenen Jahren nicht explizit auf die steigende Verschuldung hingewiesen worden sei. Dagegen habe es Aufsichtsräte gegeben, die irritiert waren, dass man immer wieder Millionenbeträge an die Stadt Pforzheim ausgeschüttet habe. Auf Tauchstation ist gestern offensichtlich die SWP gegangen. Weder die Pressestelle noch Stadtwerke-Chef Roger Heidt waren für eine Stellungnahme zu sprechen. Heidt sei am Nachmittag schwer erreichbar, hieß es. Schon in der vergangenen Woche zeigte sich die Geschäftsführung zugeknöpft und weigerte sich, auf Fragen der „Pforzheimer Zeitung“ zu antworten.
Am Freitag blieb die Frage offen, wie die Führungsriege um Roger Heidt auf die Forderung des Aufsichtsrats reagieren wird, die Stromsparte vertrieblich neu aufzustellen und die Stadtwerke entsprechend umzustrukturieren. Auch hätte die PZ interessiert, wie es sich die Geschäftsleitung erklären kann, dass in den vergangenen zwölf Monaten fast die ganze zweite Führungsebene das Unternehmen verließ und was das für die Neuausrichtung der Stadtwerke bedeutet. So kehrten die Prokuristen Peter Günther, Johannes Rager und Christian Schneider der SWP den Rücken.
Außerdem wollte die PZ Licht ins Dunkel der umstrittenen Telesales-Geschäfte bringen, bei denen Verträge über eine Telefonmarketingagentur akquiriert werden. Deren Neubewertung, die nach Angaben der SWP auch aufgrund neuer rechtlicher Vorgaben durch die Datenschutzgrundverordnung notwendig gewesen ist, hat der SWP einen Verlust von fast fünf Millionen Euro beschert.
Dies hat unter anderem dazu geführt, dass der Gewinn von insgesamt rund elf Millionen Euro auf rund 4,2 Millionen Euro eingebrochen ist. Das wiederum bewog den Aufsichtsrat dazu, die geplante Gewinnausschüttung an die Gesellschafter Stadt Pforzheim und Thüga-Gruppe in Höhe von insgesamt zehn Millionen Euro zu stoppen.
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