
Birkenfeld. Wer hat am Abend des 29. August vergangenen Jahres den Büchsenmacher Simon Paulus in Gräfenhausen getötet? Das ist die zentrale Frage, der sich die Schwurkammer des Landgerichts Karlsruhe derzeit widmet. Drei Männer aus Pforzheim und dem Enzkreis sind in diesem Fall angeklagt, ein weiterer im Zusammenhang mit einer geplanten Folgetat.
Ein 42-Jähriger und ein 27-Jähriger – beide Deutsche – hatten einen 30-jährigen Italiener schwer belastet. Der habe Paulus umgebracht – sie selbst gaben zu, später hinzugezogen worden zu sein und beim Wegschaffen beziehungsweise Vergraben der Leiche beim Pforzheimer Wildpark geholfen zu haben. Im Gegensatz zum Hauptbeschuldigten sind sie nach ihren Geständnissen auf freiem Fuß. Die Haftbefehle wurden gegen Auflagen außer Vollzug gesetzt.
Überraschende Aussage und Schuldzuweisung
Daran hat auch die überraschende Aussage des Hauptbeschuldigten am elften Prozesstag nichts geändert. Nach neun Monaten des Schweigens in Untersuchungshaft bezichtigte er den 42-Jährigen, Paulus im Streit um einen Waffen-Deal getötet zu haben. Er selbst sei in der Wohnung gewesen, während es draußen im Dunkeln zu einem Gerangel gekommen sei. Schnaufend habe der 42-Jährige anschließend über den Kampf mit Paulus gesagt: „Ich habe mich nur gewehrt. Das Arschloch hatte ein Messer.“ Jetzt sei er „hin“.
[ In einer Multimedia-Reportage blickt die PZ zurück auf einen der spektakulärsten Fälle der Region: Vom Verschwinden bis zum Prozess – der Fall Simon Paulus ]
Zur Glaubwürdigkeit dieser Aussage wollten sich weder das Gericht noch die Staatsanwaltschaft äußern. Fakt ist jedoch: Beide hätten beantragen können, dass der Haftbefehl gegen den 42-jährigen Deutschen wieder in Vollzug gesetzt wird. Er hätte das Gerichtsgebäude nicht frei durch die Vordertür, sondern in Handschellen auf dem Weg ins Gefängnis verlassen. Offensichtlich sahen aber weder die Anklagebehörde noch der Vorsitzende Richter Leonhard Schmidt dafür eine Notwendigkeit.
„Der Haftbefehl bleibt außer Vollzug. Die Kammer hat keine Änderung veranlasst“, so Richterin Carolin Kley als Sprecherin des Landgerichts. Regina Schmid, Sprecherin der Staatsanwaltschaft Pforzheim, bestätigt dies.
Auch wegen des Waffengeschäfts, das der Italiener ins Spiel gebracht hatte, sehen Gericht und Staatsanwaltschaft bisher keinen weiteren Klärungsbedarf. „Nachermittlungen wurden meines Wissens bisher nicht angeordnet“, so Kley und Schmid übereinstimmend. Die Polizei jedoch wird in dieser Prozessphase nur auf Antrag tätig.
Angeklagter gibt Anwesenheit am Tatort und zur Tatzeit zu
Spannend an der Aussage des Italieners, auch wenn er abstreitet, den Büchsenmacher getötet zu haben: Nachdem bisher nur Indizien – DNA-Spuren in einem Papiertaschentuch – darauf hingewiesen hatten, dass er in Gräfenhausen war, hat er nun selbst zugegeben, am Tatabend zur Tatzeit bei Paulus gewesen zu sein. Und spannend auch, dass der Hauptbeschuldigte eingeräumt hat: „Ich habe Wochen zuvor schon einen Waffenverkauf vermittelt, für 800 Euro. Ich habe für Simon eine Pumpgun mit Munition verkauft.“ Hier könnte der Grund für ein Motiv oder einen Streit liegen. Denn offen ist, ob der Verkauf tatsächlich im Einvernehmen mit dem Büchsenmacher geschah. Nach Recherchen der PZ stand die Waffe, die die Polizei im Zusammenhang mit einem anderen Fall sichergestellt hat, auf Paulus’ Waffenbesitzkarte. Das Verschwinden hätte diesem also mächtig Ärger einbringen können.
Nun wird sich zeigen, wie die weiteren Zeugenaussagen und Beweise die verschiedenen Aussagen der Beschuldigten stützen oder widerlegen.
Am 12. August wird der Prozess in Karlsruhe fortgeführt. Vier Verhandlungstermine sind in dieser Woche angesetzt. Und alles deutet darauf hin, dass Beweisaufnahme und Zeugenanhörungen noch länger dauern – sprich der Prozess am 27. August fortgesetzt wird. Mit einem Urteil ist dann möglicherweise in der Woche von 9. bis 13. September zu rechnen.

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