Längst nicht mehr Seite an Seite: die CDU-Parteifreunde Peter Boch (links) und Roger Heidt Ende 2017 bei einer Pressekonferenz zur Umgestaltung der Fußgängerzone. Nun hat OB Boch die sofortige Trennung der Stadtwerke von ihrem bisherigen Geschäftsführer Heidt forciert. Foto: Meyer, PZ-Archiv
Pforzheim
Zerwürfnis von OB Boch und SWP-Chef Heidt: Dem Bruch folgt ein Beben
  • Claudius Erb, Bärbel Schierling und Marek Klimanski

Pforzheim. "Bei uns geht es heute drunter und drüber", erzählt ein SWP-Mitarbeiter an diesem denkwürdigen Donnerstag – mehr will er nicht sagen. Auch jene Kollegen, die zur Mittagspause alleine oder in Grüppchen das SWP-Gebäude am Sandweg verlassen, zucken entschuldigend mit den Schultern und eilen vorbei: kein Kommentar.

Ohne Frage sorgt die Abberufung des Führungsduos der Stadtwerke Pforzheim jedoch für reichlich Gesprächsstoff – innerhalb der Belegschaft, aber auch bei der Kundschaft. Das führen Kommentare in sozialen Medien zur PZ-Berichterstattung über die dramatische Entwicklung vor Augen.

Mappus steht zu seinem Freund

„Hat lange genug gedauert“, heißt es da, oder: „ Egal, was hier noch alles aufgedeckt wird: Jetzt werden viele bisherige Strombezieher, die den SWP die Treue hielten, den Absprung machen. Und dann wird’s wirklich schwierig.“ Insbesondere die Rolle des früheren Ersten Bürgermeisters und bisherigen SWP-Chefs Roger Heidt sowie dessen verwandtschaftliche Bande zum CDU-Stadtrat Florentin Goldmann und dessen Familie werden diskutiert. „Es läuft bei dem Goldmann-Flügel in der CDU“, lautet ein sarkastischer Kommentar: „Bin mal gespannt, wo Herr Heidt versorgungstechnisch abgestellt wird.“

Dass Oberbürgermeister Peter Boch sowie der Erste Bürgermeister und Aufsichtsratschef Dirk Büscher (beide CDU) den Neustart bei den SWP forcierten, erntet Lob. „Diesen doppelten Rausschmiss hatten viele dem Aufsichtsrat um Dirk Büscher so nicht zugetraut“, schreibt ein Nutzer, „er ist konsequent und verdient allerhöchsten Respekt.“ Ein weiterer betont: „Ich habe Respekt vor der konsequenten und mutigen Entscheidung, denn bisher war man nur Mauscheleien gewohnt. Herr Büscher scheint einen klaren Kurs zu fahren.“ Der Wechsel sei folgerichtig und nötig, da sind sich die Kommentatoren einig, wie diese Stimme verdeutlicht: „Ein Aufsichtsrat, der nicht informiert wird, muss (!!!) den Vorstand schassen, ganz egal, welcher Partei er angehört und mit wem er befreundet ist. Wenn er dies nicht machen würde, wäre es weitaus mehr als ,nur‘ Mauschelei.“

In Gesprächen wird immer wieder erwähnt, dass die handelnden Personen der CDU angehören und insbesondere Roger Heidt ein langjähriger Wegbegleiter des früheren Ministerpräsidenten und ehemaligen Pforzheimer CDU-Kreisvorsitzenden Stefan Mappus war. Darum sei die Angelegenheit auch eine der CDU, so lautet zusammenfassend die These. „Dass Roger Heidt und ich befreundet sind, ist so und bleibt so“, sagt Stefan Mappus dazu – und dass er selbst dem SWP-Aufsichtsrat nicht angehöre und nichts von Spekulationen halte. Der amtierende Kreisvorsitzende Gunther Krichbaum hält das Thema nicht für eines der CDU. „Es geht hier überhaupt nicht um Parteipolitik, sondern allein um die Frage, wie das Vertrauen in den größten städtischen Betrieb zurückgewonnen werden kann“, sagt der Bundestagsabgeordnete. Dazu müssten jetzt die Beschlüsse des Aufsichtsrats umgesetzt und die Geschehnisse rasch aufgearbeitet werden. „Klar ist auch, dass der Aufsichtsrat in der Zukunft stärker gefordert sein wird denn je.“

Auswirkungen auf die gesamte CDU gerade mit Hinblick auf die Kommunalwahl Ende Mai fürchtet Stadtrat Jörg Augenstein nicht. Hier spielen aus seiner Sicht eher Themen wie die Bäder-Krise oder Innenstadt-Ost eine Rolle. „Ich persönlich kann gar nichts dafür“, verweist er etwa darauf, wie viele andere CDU-Stadträte nicht im Aufsichtsrat der Stadtwerke zu sitzen. Henry Wiedemann, Betriebsratsvorsitzender bei den Stadtwerken, sei etwa wiederum Stadtrat der SPD. Der SWP-Skandal „darf und kann nichts mit dem Wahlkampf zu tun haben“, sagt Augenstein. Vor OB Peter Boch sowie dem Ersten Bürgermeister Dirk Büscher ziehe er den Hut. Sie hätten sich an dem Thema abgearbeitet. „Man muss klar unterscheiden zwischen der privaten und der beruflichen Seite“, betont er mit Blick auf die CDU-Verknüpfungen. Gerade bei beruflichen Fehlern sei das eine Gratwanderung.

Blicke gen Chemnitz

Dass sich die CDU in Pforzheim verändert habe, räumt Augenstein ein. Dies liegt aus seiner Sicht vor allem an dem jungen, dynamischen Oberbürgermeister. Dieser rege Denkprozesse an und stoße damit gerade bei jüngeren Menschen auf positive Resonanz. Dass der OB dabei öfter mal „den großen Schritt“ wage, sei für ältere CDU-Fraktionsmitglieder schwierig. Sein Vorgehen sorge bei ihnen mitunter für etwas Verwunderung. Bei einem OB müsse das Parteibuch aber hintanstehen: „Er ist für die ganze Stadt verantwortlich.“

Derweil machen nach PZ-Informationen bei SWP-Mitarbeitern Online-Artikel aus Chemnitz die Runde, wo der neue erste Mann der SWP und bisherige kaufmännische Geschäftsführer von „eins energie in sachsen“, Herbert Marquard, unlängst für Schlagzeilen sorgte. Marquard saß als Vertreter des damaligen Hauptsponsors „eins“ für mehrere Monate im Vorstand des Fußballvereins Chemnitzer FC. 2017 trennte sich der CFC von diesem Vorstandsmitglied, offenbar im Unfrieden. Der Aufsichtsrat des Fußballclubs habe Marquard das Vertrauen entzogen, wurde die „eins“-Geschäftsführung in örtlichen Medien zitiert, die in der Folge ihr Engagement im Vorstand sowie ihr Sponsoring beendete. Durch eine Insolvenz stieg der bis heute finanziell arg gebeutelte CFC von der Dritten Liga in die Regionalliga ab. Der CFC, dessen Insolvenzverwalter und „eins“ liegen weiter im juristischen Clinch.

Wie berichtet, hat der sächsische Energieversorger Mitte Dezember mitgeteilt, dass Marquard das Unternehmen zum Jahresende auf eigenen Wunsch verlässt. Der Aufsichtsrat bedauere dessen Ausscheiden, respektiere aber seine persönliche Entscheidung, hieß es in einer „eins“-Stellungnahme, und weiter: „Die Gesellschafter und der Aufsichtsrat von ,eins‘ danken Herrn Marquard für seine gute Arbeit und wünschen ihm für seine Zukunft alles Gute.“

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