Herbert Marquard. Foto: Ketterl

Pforzheim
PZ-Interview mit neuem SWP-Geschäftsführer Herbert Marquard: "Ich decke die ganze Palette ab"

Die Rückmeldungen aus dem Unternehmen sind durchweg positiv – bei der Belegschaft insgesamt und speziell beim Betriebsrat und dem Führungsteam der Stadtwerke Pforzheim (SWP). An dem neuen Geschäftsführer Herbert Marquard, der vom SWP-Aufsichtsrat vorübergehend bis zum 31. Januar 2020 eingesetzt wurde, schätzt man vor allen Dingen seine hohe Kompetenz und mehr als 45-jährige Berufserfahrung.

Wie er den kommunalen Energieversorger nach der SWP-Affäre um den überraschenden Gewinneinbruch und der Abberufung der bisherigen Geschäftsführer Roger Heidt und Thomas Engelhard wieder auf Kurs bringen will, verriet er am Dienstag im PZ-Gespräch.

PZ: Herr Marquard, was reizt Sie an den Stadtwerken Pforzheim?
Herbert Marquard: Stadtwerke als solche sind schon eine sehr reizvolle Geschichte. Daseinsvorsorge zu betreiben für eine Stadt in einer Größenordnung wie Pforzheim hat in meinen Augen großes Gewicht. Mir gefällt hier auch die Eigentümerstruktur mit der Mehrheitsgesellschafterin Stadt Pforzheim und dem Fachgesellschafter Thüga AG als Partner. Alles in allem ist das eine sehr gute Konstellation.

Sie halten es damit auch für die Zukunft wichtig, dass die Stadtwerke in städtischer Hand bleiben und nicht privatisiert werden?
Eine Privatisierung würde natürlich kurzfristig Geld bringen. Doch das ist aus meiner Sicht langfristig nicht das Thema. Wir haben es hier mit Daseinsvorsorge im Energiebereich zu tun. Es ist gut, wenn das in Händen einer Stadt wie Pforzheim bleibt.

Halten Sie es langfristig für problematisch, dass die Stadtwerke durch den Gesellschaftervertrag zum Ausschütten des Gewinns quasi gedrängt wird?
Ich habe mir in der Kürze der Zeit den Gesellschaftervertrag noch nicht anschauen können. Ich kann Ihnen also nicht sagen, ob es einen Ergebnisabführungsvertrag gibt. Sollte es einen solchen geben, gibt es trotzdem die Möglichkeit, dass Geld im Unternehmen bleibt. Wenn eine Situation gegeben ist, wo eine Liquidität nicht vorhanden ist, dann muss man über einen Verzicht der Gewinnausschüttung sprechen.

Wie bewerten Sie die Entwicklungen der Stadtwerke in den vergangenen Monaten?
Ich kann das nicht bewerten, weil ich meine Kenntnisse hauptsächlich aus Ihrer Zeitung habe. Es ist für mich deshalb auch nicht klar, was da genau gelaufen ist. Deshalb gibt es aber nun ein Wirtschaftsprüfungsunternehmen hier im Haus, das vom Aufsichtsrat den Auftrag erhalten hat, die Vergangenheit zu untersuchen.

Wie stehen die SWP aus Ihrer Sicht da?
Ich sehe auf jeden Fall fast 500 sehr gute Mitarbeiter. Ich kann also auf eine Mannschaft zurückgreifen, die fachlich sehr kompetent ist. Die Stadtwerke sind ein robustes Unternehmen mit vielen interessanten Aufgaben wie Gas, Strom, Wasser, Fernwärme, aber auch Telekommunikation. Wir sind darüber hinaus gut aufgestellt im Netzbereich. Dann müssen wir uns natürlich auch damit beschäftigen, wie es mit unserem Heizkraftwerk und dem Wärmeversorgungskonzept aussieht. Hier sind wir dabei, große Herausforderungen zu stemmen, um die Fernwärme zu ertüchtigen und die Klimaziele für Pforzheim zu erreichen. Das alles ist sehr reizvoll, und ich bin mir sicher, wir kriegen das gemeinsam hin.

Wie müssen moderne Stadtwerke auch im Hinblick auf Digitalisierung bei Themenfeldern wie Smart Home heute aufgestellt sein?
Digitalisierung ist doch heutzutage gar nicht mehr auszuklammern. Wir müssen immer schauen, was der Kunde will und nicht, was wir wollen. Der Kunde steht immer im Mittelpunkt. Das ist ganz einfach. Wir als Dienstleister müssen sicherstellen, was den Kunden zufriedenstellt. Das Ganze muss gepaart sein mit einer sehr schlanken Unternehmensstruktur.

Halten Sie an der von der bisherigen Geschäftsführung entwickelten Konzeption „SWP 2021“ fest oder empfehlen Sie den Stadtwerken eine andere Strategie?
Dieser Begriff klingt auf den ersten Blick modern. Wir müssen aber schon genau hingucken, ob die Konzeption auch tatsächlich modern ist. Wir haben am Montag in der Führungsmannschaft festgelegt, dass wir in einem kleinen Team über strategische Ausrichtungen sprechen. Dazu wollen wir auch nicht Leute von außen holen, die uns erzählen, wie unsere Agenda auszusehen hat.

Sie setzen also auf eigene Intelligenz und Ideen und nicht auf Unternehmensberater, wie das bisher der Fall war.
Richtig. Da bin ich anders unterwegs. Mit 46 Jahren Berufserfahrung und Leuten hier im Unternehmen, die auch über jahrelange Erfahrung verfügen, kann man das in den meisten Fällen selber machen.

Wenn Sie das Team ansprechen: Das Betriebsklima hat durch die Unruhen der vergangenen Monate, aber auch schon davor, gelitten. Wie wollen Sie den Mitarbeitern die Verunsicherung nehmen und das Vertrauen in die Geschäftsleitung zurückgewinnen?
Ich war am vergangenen Donnerstag für vier Stunden im Unternehmen und gestern den ganzen Tag. Wenn Sie sich die Stimmung ansehen, stellen Sie fest, wie die Augen leuchten und welche positiven Signale die Mitarbeiter aussenden. Auch die Betriebsratsmitglieder haben mir gegenüber erklärt, sie seien froh, dass ich da bin und mir jede Unterstützung zugesagt. Es wurden aber auch Gründe genannt, wodurch die Mitarbeiter verunsichert wurden. Daran müssen wir schnell arbeiten. Es soll künftig keinen Grund mehr geben, verunsichert zu sein. Wir sollten vor allem an unsere eigene Stärke glauben.

Was tun Sie gegen den Imageschaden – vor allem bei den Kunden?
Wir müssen jetzt gemeinsam daran arbeiten, dass das Unternehmen draußen wieder positiv wahrgenommen wird. Auch der Aufsichtsrat hat sich bisher nicht richtig eingebunden gefühlt. Das ist nicht mein Stil. Wir brauchen eine offene Kommunikation. Das hilft den Kunden, die übrigens gar nicht verunsichert sein müssen. So wie ich es einschätze, sind die Probleme bilanzieller Natur. Das Kundengeschäft und die Daseinsvorsorge sind stabil.

Sie müssen doch aber sicherlich nach dem Telesales-Desaster, das Millionenverluste verursacht hat, vertrieblich einiges unternehmen, um die Stromsparte neu aufzustellen?
Als Geschäftsführer mit einer sehr starken Vertriebsader sage ich, dass wir alle Vertriebskanäle, auch die digitalen, etablieren müssen. Telesales ist ein Vertriebskanal, der nicht per se schlecht sein muss. Ich würde ihn aber nicht favorisieren. Trotzdem bin ich dafür, dass man Vertriebskanäle testet und sie organisatorisch begleitet. Man muss sie mit dem Unternehmen in Einklang bringen und die Struktur anpassen. Wenn ich also einen digitalen Vertriebskanal einrichte, muss dahinter auch eine digitale Prozesskette stehen. Wenn ich das nicht habe, dann überrollt einen das oder man muss gegebenenfalls frühzeitig Reißleinen ziehen.

Sie haben vorhin die bilanziellen Probleme angesprochen: Es würde einige nicht wundern, wenn die Bilanz 2018 durch den Verkaufserlös des Biomasseblocks im Heizkraftwerk nun doch einen deutlich höheren Gewinn als die prognostizierten 4,2 Millionen Euro ausweisen würde und damit eine Gewinnausschüttung auf dem Papier doch möglich wäre.
Wenn die Ergebnisse nur durch Sondereinflüsse entstehen, dann sind sie auch nicht ausschüttungsfähig. Sie müssen ja immer schauen, wie viel Geld vorhanden ist. Wenn ich ein wunderschönes Ergebnis habe in der Bilanz, dann heißt das noch lange nicht, dass die Liquidität vorhanden ist, um auszuschütten. Wenn nicht, sollte man lieber thesaurieren, also das Geld im Unternehmen belassen.

Streben Sie eine Gewinnausschüttung an die Gesellschafter in 2019 an?
Das kann ich nicht sagen. Ich strebe auf jeden Fall einen Gewinn an. Ob der dann ausgeschüttet wird, muss man mit den Gesellschaftern abstimmen.

Bislang gab es zwei Geschäftsführer: Warum und wie bekommen Sie das alleine hin?
Das bekomme ich ganz gut hin. Ich decke die ganze Palette ab. Die Leute haben, glaube ich, auch den Eindruck: Der Mann kennt sich aus. Außerdem habe ich mit Bernd Hagenbuch einen hervorragenden Mann für den Netzbereich.

Hört sich so an, als wollten Sie über Januar 2020 hinaus Geschäftsführer bleiben.
Die Frage ist auch schon in der Belegschaft aufgetaucht. Ich kann nur so viel dazu sagen: Ich verlasse keine Baustelle.

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